Tschetschenen-Mord
Israilov-Prozess: Zeuge verweigerte Aussage
26.11.2010
Konsum Y. wollte nicht gegen seinen Bruder Turpal-Ali aussagen.
Mit Spannung war am Freitag im Prozess um den am 13. Jänner 2009 erschossenen tschetschenischen Flüchtling Umar Israilov die Zeugenaussage des 38-jährigen Kosum Y. erwartet worden. Der ältere Bruder des Drittangeklagten Turpal-Ali Y., gegen den die Staatsanwaltschaft wegen einer möglichen Verwicklung in das angeblich ursprünglich als Entführung geplante Verbrechen entwickelt, war eine Zeitlang als Informant des Verfassungsschutzes tätig. Zugleich rechnet zumindest der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz Kosum Y. einem "Schlägertrupp" des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow zu. Der Auftritt des Mannes im Großen Schwurgerichtssaal fiel allerdings ins Wasser.
Bruder macht von Entschlagungsrecht Gebrauch
Kosum Y. machte mit dem Hinweis auf sein Verwandtschaftsverhältnis zum Drittangeklagten von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch und konnte den Gerichtssaal verlassen, nachdem er sein Geburtsdatum bekanntgegeben hatte. Dies kam insofern überraschend, als Peter Philipp, der Verteidiger von Turpal-Ali Y., angekündigt hatte, Kosum werde aussagen und seinen kleinen Bruder entlasten.
Freund des Erstangeklagten einvernommen
Eingehend vernommen wurde demgegenüber ein enger Freund des Erstangeklagten Otto K., der nach Ansicht der Anklagebehörde das inkriminierte Verbrechen - möglicherweise im Auftrag von Kadyrow - geplant haben soll. Sein guter Freund, ein 36-jähriger Exil-Tschetschene, war ihm dabei insofern behilflich, als er ihm zwei Wertkarten-Handys kaufte, über die unmittelbar vor den tödlichen Schüssen auf Israilov kommuniziert wurde, und am Tag vor der Tat auch den Chauffeur spielte.
"Tschetschenen helfen sich gegenseitig"
Für beides hatte der Zeuge in seinen Augen plausible Erklärungen. Unter Tschetschenen sei es üblich, sich gegenseitig zu helfen. "Jeder in St. Pölten weiß, dass man mich immer anrufen und um mein Auto bitten kann", so der in der niederösterreichischen Metropole wohnhafte Mann. Die Mobiltelefone habe er für Otto K. erworben, weil er zu jenem Zeitpunkt 100 Euro gehabt habe und sein Freund offenbar kein Geld. Wofür jener diese benötigte, hätte ihn nicht interessiert.
Ansuchen auf Einvernahme Kadyrows
Die Verteidiger brachten danach zahlreiche offizielle Beweisanträge ein. Anwalt Rudolf Mayer legte nun auch formell sein Ansuchen auf Einvernahme von Ramsan Kadyrow vor, während er von der ursprünglich ebenfalls angedachten Bitte um Ladung des russischen Regierungschefs Vladimir Putin, der Kadyrow seinerzeit als seinen "Statthalter" in Tschetschenien eingesetzt hatte, Abstand nahm.
Der Prozess wird am kommenden Freitag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.