Islam-Vorbehalte in Österreich
Jeder 3. Österreicher möchte keinen Muslim als Nachbarn
24.08.2017
28 Prozent wollen Muslime nicht als Nachbarn haben.
Die Integration von Muslimen in Westeuropa funktioniert im Großen und Ganzen besser, als von vielen angenommen wird. Zu diesem Ergebnis kommt der am Donnerstag veröffentlichte Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung. Muslime holen bei Spracherwerb und Bildung auf, auch die Integration in den Arbeitsmarkt gelinge besser als früher.
Österreich Islamskepsis am größten
Die Studie mit dem Titel "Muslime in Europa - integriert, aber nicht akzeptiert?" zeigt aber auch, wie groß die Vorbehalte gegenüber Muslimen sind. Bei der Frage, "wen lehnen Sie als Nachbarn ab?" sprechen sich in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Frankreich deutlich mehr Befragte gegen Muslime aus als gegen Familien mit vielen Kindern, Ausländer bzw. Gastarbeiter, Homosexuelle, Juden, Menschen mit anderer Hautfarbe, Atheisten und Christen. In Österreich ist die Islamskepsis am größten. So gaben 28 Prozent der befragten Österreicher an, Muslime nicht gerne als Nachbarn haben zu wollen. In Großbritannien waren es 21 Prozent, in Deutschland 19, in der Schweiz 17 und in Frankreich 14 Prozent.
Auch auf länderspezifische Probleme und Defizite bei der Sozialintegration weist die Studie hin, etwa beim Spracherwerb. Insgesamt hat demnach fast die Hälfte (49 Prozent) der befragten Muslime in den fünf Ländern die jeweilige Landessprache bereits im Kindesalter als erste Sprache erlernt. Sind es in Frankreich 74 Prozent und im Vereinigten Königreich 59 Prozent, so liegt der Anteil in der Schweiz nur bei 34 Prozent und in Österreich bei 37 Prozent. Deutschland liegt mit 46 Prozent im Mittelfeld.
Wenig Kontakt zu Nichtmuslimen
Bei den interreligiösen Freizeitkontakten liegt Österreich ebenfalls hinten. In Österreich ist der Anteil der Muslime, die oft Freizeitbeziehungen zu Nichtmuslimen haben, mit 62 Prozent am geringsten, in der Schweiz ist er mit 87 Prozent am höchsten. Bemerkenswert ist laut den Bertelsmann-Forschern, dass in den beiden Ländern mit der ausgeprägtesten Islamablehnung - nämlich Österreich und Großbritannien - auch die interreligiösen Freizeitbeziehungen am seltensten sind.
Einen Zusammenhang mit der Islamablehnung orten die Studienautoren auch in Sachen Diskriminierung. Insgesamt gaben 56 Prozent der befragten Muslime an, in den vergangenen zwölf Monaten keine Diskriminierung erfahren zu haben. Die Abweichungen zwischen den Ländern sind eklatant. So berichten in Österreich mit 32 Prozent nur halb so viele Befragte von Diskriminierungsfreiheit wie in der Schweiz oder in Deutschland.
Stark ausgeprägt ist unter den Muslimen die Identifikation mit dem Aufnahmeland. Insgesamt fühlen sich fast alle der Befragten (94 Prozent) mit dem Land, in dem sie leben, sehr (59 Prozent) oder eher (35 Prozent) verbunden. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind hier eher gering. Unter Muslimen in der Schweiz ist die Verbundenheit mit dem Aufnahmeland mit 98 Prozent am ausgeprägtesten. Dahinter folgen Frankreich und Deutschland mit 96 Prozent, Großbritannien mit 89 Prozent und Österreich mit 88 Prozent.
Schulsystem "wenig integrationsförderlich"
Das österreichische Schulsystem wird in der Bertelsmann-Studie als "wenig integrationsförderlich" eingestuft. 39 Prozent der im Land geborenen Muslime erlangen bereits vor dem 17. Lebensjahr ihren Schulabschluss. Deutlich bessere Bildungsabschlüsse weisen Muslime in Frankreich auf. Hier erreicht rund jeder zehnte muslimische Schüler seinen Abschluss vor dem 17. Lebensjahr, in Deutschland sind es 36 Prozent.
Bei der Öffnung des Arbeitsmarktes schneidet Deutschland mit Abstand am besten ab. Die Öffnung des Arbeitsmarktes sei zentral für die Erwerbsbeteiligung und eine gelingende Integration, heißt es in der Studie. In Österreich sind Muslime demnach stärker aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen als Nichtmuslime.
"Der internationale Vergleich zeigt, dass nicht Religionszugehörigkeit über die Erfolgschancen von Integration entscheidet, sondern staatliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen", so Stephan Vopel, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung. Strukturelle Hürden gebe es etwa im Bildungssektor und auf dem Arbeitsmarkt.
Die Studienautoren wollen mit ihrer Arbeit, für die über 10.000 Menschen Österreich, Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien befragt wurden, einen Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Debatte leisten. Die Bedeutung der Frage der Sozialintegration ergebe sich einerseits daraus, dass die Integration der Muslime in den europäischen Gesellschaften beständig problematisiert wird und andererseits durch die Fluchtmigration, seit Mitte der 2010er-Jahre die muslimische Bevölkerung in Europa weiter angewachsen ist. "Diese Entwicklungen haben die europäischen Muslime zur Zielscheibe rechtspopulistischer Bewegungen gemacht, die in Zweifel ziehen, dass muslimische Religiosität mit dem Leben in einer westlichen Demokratie und Leistungsgesellschaft vereinbar ist, und die dabei mitunter auch rassistisch argumentieren", schreiben die Studienautoren.