Graz

Jihadisten-Prozess: "Habe keine Gefahr gespürt"

31.05.2017

38-Jähriger auch wegen versuchten Mordes angeklagt.

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© APA/ERWIN SCHERIAU (Archivbild)
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Im Grazer Straflandesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen zwei mutmaßliche Jihadisten-Paare fortgesetzt worden. Den Angeklagten wird Teilnahme an der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) vorgeworfen. Außerdem müssen sie sich wegen Quälens ihrer Kinder verantworten, da sie ihnen grausame IS-Propaganda-Filme gezeigt haben sollen. Befragt wurde am dritten Tag eine der beiden Frauen.

Der Partner der Angeklagten, die als Dritte befragt wurde, ist auch wegen versuchten Mordes angeklagt. Er soll als Scharfschütze in einer Kampftruppe mindestens einen Gegner schwer verletzt haben. Das Paar hat fünf Kinder und lebte in der Weststeiermark. Die 39-Jährige schilderte, dass sie dort immer wieder angegriffen und beleidigt wurde, meist wegen ihres Kopftuches bzw. ihres Nikab. Sie selbst ist in Österreich geboren und erst wegen ihres Lebensgefährten zum Islam übergetreten. "Ich liebe alles, was mit dem Islam zu tun hat. Ich habe ihn durch meinen Mann nur von der schönsten Seite kennengelernt", zeigte sie sich nach wie vor begeistert.

Kinder sahen IS-Videos

Die ganze Familie ging im Dezember 2014 nach Syrien, und dort holte sie die Realität sehr schnell ein. Der Mann musste eine Ausbildung machen, die Frau blieb mit den Kindern in der vom IS zugeteilten Wohnung meist allein. Gelebt hat sie nach eigenen Angaben von jenem Geld, das sie aus Österreich mitgebracht hatte. Womit sie selbst nicht gerechnet hatte, war, dass die Kinder - das kleinste war erst zwei Jahre - auf Schritt und Tritt mit den Gräuelvideos des IS konfrontiert waren, die in der Stadt auf großen Leinwänden dauernd gezeigt wurden. Das habe sie nicht gewusst, wie so vieles andere nicht. "Ich habe gedacht, Syrien ist schön und Gott wird helfen, wenn man hinuntergeht", erklärte sie. Politisch habe sie "so gut wie nichts verfolgt", sie war der Überzeugung "Böses passiert Gläubigen nicht".

Der Richter wollte wissen, wie die Kinder auf die brutalen Videos reagiert hatten: "Unterschiedlich, von grauslich bis cool", antwortete die 39-Jährige. Es seien auch Filme von "Sportübungen" dabei gewesen, und das hätte den Kindern eben gefallen, versuchte sie zu erklären. Ihr Partner hatte vom IS eine Kalaschnikow bekommen, aber das fand sie ganz normal: "Das hat jeder gehabt". Sie reinigte die Waffe mitunter, und einmal fuhr er mit ihr zum Übungsschießen. Dass er tatsächlich gekämpft hat, schloss sie aus, wenn auch nur "vom Gefühl her". Laut Anklage war der 38-Jährige aber nicht nur in einer Kampfgruppe aktiv, sondern soll diese sogar angeführt haben.

"Habe keine Gefahr gespürt"

Am Nachmittag begann die Befragung von Enes S, dem unter anderem versuchter Mord als terroristische Straftat angelastet wird. Er soll mit seiner Partnerin und den fünf Kindern nach Syrien gegangen sein und dort als Scharfschütze zumindest einen Mann schwer verwundet haben. Außerdem wird ihm vorgeworfen, eine Kampftruppe der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) geführt zu haben.

Der 39-Jährige lebte mit seiner Familie in der Weststeiermark, bevor er im Dezember 2014 nach Syrien ging. Der Entschluss sei in ihm nach Besuchen im Glaubensverein Taqwa gereift. Allerdings gab er ebenso wie die übrigen Beschuldigten an, er wollte nur kurz nach Syrien "um sich alles anzuschauen." Doch zuvor verkaufte er sein Auto und gab die beiden Hunde weg. "Kann man daraus nicht schließen, dass Sie länger wegbleiben wollten?", fragte der Richter. "Wir wären länger geblieben, wenn es gepasst hätte", bestätigte der Angeklagte.

Umsiedlung bereut

Aber es passte ganz und gar nicht, wie Enes S. schon nach seiner Ankunft in Syrien feststellen musste. Er wurde sofort von der Familie getrennt und in ein Lager gebracht, wo die Scharia-Ausbildung begann. Es folgte ein militärisches Training, das er aufgrund seiner Teilnahme am Jugoslawien-Krieg nicht unbedingt benötigt hätte. Nach Angaben des Mitangeklagten Hasan O. trainierte S. selbst jüngere Bursche in dem Lager, da er beispielsweise mit einer Kalaschnikow gut umgehen konnte. "Das war nur einmal, da haben wir auf Dosen geschossen", schwächte er ab. Dass er als Scharfschütze beim IS mitgemacht habe, hatte er von Anfang an geleugnet.

Schon bald bereute er die Umsiedlung nach Syrien, und im Jänner 2016 flüchtete die Familie zurück in die Türkei. "Ich habe keine Gefahr gespürt. Ich habe auch nicht gewusst, welche Gestalten mir dort entgegentreten. Ich habe diesen Leuten vertraut", erklärte er seinen folgenschweren Entschluss. "Ich habe einen Riesenfehler gemacht", betonte er.

Der Prozess wird morgen, Donnerstag, mit der Anhörung von Zeugen fortgesetzt.

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