Betroffener leidet unter Autismus-Spektrum-Störung - Opfer erlitt leichte Verletzung - Psychiater schloss künftige Straftaten nicht aus.
Klagenfurt. Ein 20-jähriger Kärntner, der seit dem Volksschulalter unter einer schlimmer werdenden Autismus-Spektrum-Störung leidet, ist am Dienstag in Klagenfurt vor Gericht gestanden. Er hatte Ende Jänner einem Nachbarn, von dem er sich ausgelacht und sekkiert fühlte, mit einem Luftgewehr in den Oberarm geschossen. Der Schöffensenat entschied auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
"Ich will in keine Anstalt, sondern nach Hause", hatte der 20-Jährige, dem die Kommunikation mit anderen Menschen schwerfällt, dem Schöffensenat unter Richter Alfred Pasterk noch in die Beratung mitgegeben. Den jungen Mann aber zurück nach Hause auf den Bergbauernhof der Familie zu schicken, sei undenkbar, hatte ein psychiatrischer Sachverständiger befunden. Es sei zu befürchten, dass er weitere Straftaten mit schweren Folgen begeht.
Kommunikationsdefizite bereits in Volksschule
In der Volksschule machte sich die Erkrankung des Betroffenen mit Kommunikationsdefiziten erstmals bemerkbar. Er fand keinen Anschluss, indirekt zeigte sich die Krankheit auch durch das Mobbing der anderen Kinder. Er kam mit dem Stoff nicht nach, blieb sitzen. In der Hauptschule wurde es nicht besser, eine Stelle als Tischlerlehrling verlor er, nachdem er sich weiter zurückzog und die Körperhygiene zunehmend vernachlässigte. Dann verbrachte er zwei Jahre ohne Beschäftigung am Hof der Eltern, vorwiegend mit Computerspielen in seinem Zimmer.
Der Nachbar, der regelmäßig zu Besuch war, habe ihn immer wieder aufgefordert, sich zu waschen oder sich Arbeit zu suchen, und dann gelacht, sagte der 20-Jährige vor Gericht. "Der Nachbar hat nicht schlecht über ihn geredet, das war die Wahrheit, er dürfte es aber falsch aufgefasst haben", sagte der Vater des Betroffenen, dem der schlechte Körpergeruch seines Sohns "peinlich" vor dem Besuch war, wie er angab. Die Angehörigen haben die Schwere der Probleme über die Jahre nicht erkannt und keine effektive Unterstützung geleistet, sagte der Psychiater. Er kam erstmals nach der Tat in Behandlung. Vorher hatte sich der 20-Jährige entsprechenden Versuchen der Eltern entzogen, bei Gericht beharrte er noch: "Ich bin nicht krank!"
Luftgewehr aus nächster Distanz abgefeuert
An einem Abend Ende Jänner nahm der 20-Jährige das Luftgewehr seines Bruders, lud es, ging dem Nachbarn am Nachhauseweg nach und feuerte das Gewehr aus nächster Distanz auf dessen Oberkörper. Der Mann erlitt eine fünf Zentimeter tiefe Wunde am Oberarm, eine leichte Verletzung. Ein Ballistiker sagte, hätte man mit diesem Gewehr die Halsschlagader getroffen, wäre auch der Tod des Opfers möglich gewesen.
Der Psychiater erklärte, dass sich beim Angeklagten die nicht artikulierten Affekte aufgestaut hatten und plötzlich zur Explosion kamen. Die Krankheit habe die Willensbildung des Betroffenen so stark beeinflusst, dass dieser nicht mehr zwischen richtig und falsch habe unterscheiden können. Daher sei er nicht zurechnungsfähig gewesen. Das Gericht folgte dieser Einschätzung.
Die Anwältin des 20-Jährigen erbat drei Tage Bedenkzeit über die Entscheidung des Gerichts, ebenso Staatsanwalt Julius Heidinger.