Es ist ein brutaler Wettlauf um den Gipfelsieg: Gerlinde Kaltenbrunner bricht am Sonntag auf, um ihren zwölften Achttausender zu besiegen. Zwei Frauen sind ihr auf den Fersen.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Oberösterreicherin Gerlinde Kaltenbrunner den Bergsteig-Weltrekord holt: Laut Karl Gabl, ihrem vertrauten Meteorologen von der Wetterdienststelle Innsbruck, nützt Kaltenbrunner am Sonntag eine kurze Schönwetterperiode, um den Aufstieg auf den 8.516 Meter hohen Lhotse im Himalaya zu wagen.
Starke Konkurrenz
Es ist ein Wettlauf mit dem Wetter und der
Zeit. Denn zeitgleich versuchen mit der Italienerin Nives Meroi und der
Spanierin Edurne Pasaban zwei Frauen, ebenso den Weltrekord für sich zu
verbuchen. Die beiden wollen derzeit den 8.563 Meter hohen Kangchenjunga
bezwingen. Eigentlich sollten die beiden – die dicht hintereinander, aber
getrennt auf den Achttausender marschieren, schon heute am Gipfel ankommen,
doch Schlechtwetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Meroi
schreibt dazu Samstag früh in ihrem Expeditionstagebuch: „Heute bleiben wir
im Camp. Der Wind ist zu stark, wir warten auf einen neuen Versuch.“
Vorteil für Kaltenbrunner
Glück für Kaltenbrunner: Denn ihr
mit ihr meint es der Wettergott derzeit gut. Gabl: „Es hat zwar vergangene
Nacht leicht geschneit, es sind aber keine gröberen Niederschläge zu
erwarten. Am Mittwoch könnte dann der Gipfel bezwungen werden. Der Wind ist
schwach, die Temperaturen steigen auf minus 22 Grad. Ich bin optimistisch,
dass sie es schafft.“
Der Weltrekord. Schafft Gerlinde Kaltenbrunner den Lhotse, hat sie zwölf der 14 Achttausender in der Tasche.
Nur der höchste Berg der Welt, der Mount Everest, und der schwierigste Achttausender, der K2 im Karakorum-Gebirge im Pakistan, würden ihr dann zum Titel „1. Frau auf allen Achttausendern“ noch fehlen.
ÖSTERREICH erreichte Gerlinde Kaltenbrunner im Basislager kurz vor
dem Beginn ihres Gipfelsturms auf den Lhotse. Gerlinde Kaltenbrunner: Das ist nun mein 3. Anlauf für den Lhotse. Zwei Mal musste ich kurz unterhalb des Gipfels umdrehen. Besonders das Wetter und die Verhältnisse am Berg stellen oft unkalkulierbare Risiken dar. Dieses Mal konzentriere ich mich nur auf den Lhotse, was auch den Unterschied zu den zwei vorherigen Versuchen ausmacht. Wir sind zuversichtlich, dass es dieses Mal klappen wird. ÖSTERREICH: Sie haben seit 1. Mai im Basislager auf den Aufstieg gewartet, warum war es bisher nicht möglich, den Gipfel zu besiegen? Kaltenbrunner: Die Windgeschwindigkeiten im Gipfelbereich waren viel zu hoch und auch Temperaturen unter minus 30 Grad waren zu kalt, um einen Gipfelversuch zu wagen. Die Vorbereitung für die Gipfelbesteigung ist nun abgeschlossen. Wir sind bestens akklimatisiert und haben nur noch auf ein Schönwetterfenster gewartet. ÖSTERREICH: Womit kann man das Glücksgefühl vergleichen, das man empfindet, wenn man es geschafft hat? Kaltenbrunner: Am Gipfel anzukommen, zwar körperlich äußerst angestrengt aber sehr zufrieden über das Erreichte und mit mir selbst, verspüre ich ein intensives Gefühl der Dankbarkeit und Demut. Ich genieße die unendliche Fernsicht und nehme diesen intensiven Moment voll in mich auf. ÖSTERREICH: Warum tun Sie sich das alles an? Kaltenbrunner: Sich ein schwieriges Ziel setzen, dieses erreichen, wohlbehalten wieder zurückkehren, all das muss man selbst erleben, um zu verstehen, welche Gefühle das auslöst. |