Nach schweren Vorwürfen
Kampusch: KStA gibt Fall an Staatsanwalt
15.10.2010
Nach den Anschuldigungen von Ex-OGH-Präsident Rzeszut ist nun die Staatsanwaltschaft Linz oder Innsbruck am Zug.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA) hat bereits in der Vorwoche über das Justizministerium die "Sachverhaltsmitteilung" des pensionierten OGH-Präsidenten Johann Rzeszut erhalten, in der dieser im Zusammenhang mit dem Fall Kampusch schwere Vorwürfe gegen die Anklagebehörden erhebt. "Wir haben die Eingabe geprüft und sind zu der Auffassung gekommen, dass vorerst keine dringlichen und unaufschiebbaren Amtshandlungen oder Erhebungsschritte nötig sind", betonte KStA-Sprecher Friedrich König.
Da der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs seine Anschuldigungen auch gegen der Korruptionsstaatsanwaltschaft dienstübergeordnete Vertreter - namentlich vor allem den Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft (OStA), Werner Pleischl, - richtet, werden die Korruptionsbekämpfer den Fall nicht weiter bearbeiten. "Um jeglichen Anschein einer möglichen Befangenheit zu vermeiden, haben wir die Eingabe der Generalprokuratur übermittelt und diese ersucht, eine Staatsanwaltschaft im Sprengel Linz oder Innsbruck mit der weiteren Prüfung zu betrauen", stellte König fest.
Verwunderung über Rzeszut
Der Behördensprecher zeigte sich verwundert, "dass der Präsident nie an uns herangetreten ist". Rzeszut hatte seine Vorwürfe in einem mit 29. September datierten Brief an sämtliche im Parlament vertretene Parteien gerichtet und dies damit begründet, bei der Justiz wäre "eine sachdienliche ressortinterne Abhilfe nicht zu erwirken". Das Justizministerium soll über das inklusive Beilagen 46 Seiten starke Schreiben dem Vernehmen nach am 7. Oktober Kenntnis erlangt haben.
Rzeszut behauptet, die Anklagebehörden hätten bei der Aufarbeitung des Falls Kampusch "langfristige Verzögerung bzw. bis zuletzt gänzliche Unterlassung nachhaltigst indizierter wesentlicher Ermittlungsschritte" zu verantworten. Nach einem möglichen Mittäter des Entführers Wolfgang Priklopil wäre nicht ernsthaft gesucht, einer Zeugin, die mehrfach versichert hatte, sie habe zwei Männer in jenem Kastenwagen gesehen, in dem Natascha Kampusch am Heimweg von der Schule entführt wurde, "konsequent keine Beachtung" geschenkt worden.
"Krass wahrheitswidrige Informationen"
Dem OStA-Chef Pleischl und dem damaligen Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, Otto Schneider, hält Rzeszut vor, sie hätten nicht einmal "eine Anscheinsoptik pflichtgemäßen Fallinteresses" gewahrt. Es wäre ihnen und dem aus Graz beigezogenen Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher nur darum gegangen, die Ermittlungen möglichst rasch einzustellen.
Laut Rzeszut soll auch die vom Innenministerium zur Aufdeckung möglicher Ermittlungspannen eingesetzte Evaluierungskommission, der er selbst angehörte, "justiziell behindert" worden sein. Pleischl und der seinerzeitige Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, hätten darüber hinaus die Medien mit "krass wahrheitswidrigen Informationen" über den Verlauf der Erhebungen versorgt.