U-Bahn verpasst
Keine vorzeitige Entlassung für Betrüger
28.04.2010
Dabei habe unpünktlicher Häftling sämtliche Kriterien erfüllt.
Seit dem 2008 in Kraft getretenen Haftentlastungspaket werden abgeurteilte Straftäter in der Regel spätestens nach Verbüßung von zwei Dritteln ihrer Strafe vorzeitig auf Bewährung entlassen, sofern es sich bei ihnen um Ersttäter handelt und ihre Resozialisierung gesichert scheint. Einem 53-jährigen Wiener wurde dennoch die bedingte Entlassung verweigert, obwohl er sämtliche Anforderungen erfüllt hätte. Begründung: Er war von einem Freigang einige Minuten zu spät in die Justizanstalt Wien-Simmering zurückgekehrt.
U-Bahn versäumt
"Dabei hat mir mein Mandant versichert, dass
er nur knapp die U-Bahn versäumt hat, die ihn zeitgerecht ins Gefängnis
gebracht hätte", betonte Rechtsanwalt Karl Bernhauser. Doch auch das Wiener
Oberlandesgericht (OLG), das nach dem zuständigen Vollzugsgericht in zweiter
und letzter Instanz die bedingte Entlassung ablehnte, wollte in dem Fall
kein Auge zudrücken.
Das OLG verwies auf das "nicht normenkonforme Verhalten" des Häftlings. Es sei "offensichtlich, dass nicht anzunehmen ist, der Insasse werde durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung des unbedingt ausgesprochenen Teils der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten", ist dem Beschluss 22 Bs 396/09k zu entnehmen, auf dessen Basis der Mann den unbedingt über ihn ausgesprochenen Strafteil zur Gänze abzusitzen hatte.
Schwerer Betrug
Der 53-Jährige war wegen schweren gewerbsmäßigen
Betrugs zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt verurteilt worden.
Neben seiner unpünktlichen Rückkehr von einem Freigang verwies die Justiz
auch noch darauf, dass sich der Mann nach wie vor schuldlos und zu Unrecht
verurteilt fühle und nicht freiwillig zum Strafantritt erschienen war,
sondern vorgeführt werden musste. Aus spezialpräventiven Gründen komme da
eine bedingte Entlassung nicht infrage.
Der Rechtsbeistand des Mannes wertet dies als "eklatante Rechtsverletzung", der "eine rechtlich falsche Ermessensentscheidung zur Frage der Spezialprävention" zugrunde liege. Denn ausschließlich ein strafrechtlich relevantes Verhalten oder die Befürchtung eines solchen rechtfertige die Ablehnung einer bedingten Entlassung, argumentiert Anwalt Bernhauser. Weder das eine noch das andere liege im konkreten Fall vor. Bernhauser hat daher beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine Grundrechtsbeschwerde eingebracht und - sollte sich dieser damit aus rechtlichen Gründen nicht auseinandersetzen - beim Höchstgericht darum gebeten, dieses möge bei der Generalprokuratur eine Beschwerde zur Wahrung des Gesetzes anregen, um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen.