Missbrauchs-Skandal

Kirche: Die Hölle der Sex-Opfer

09.03.2010

Österreichs Kirche wird von Missbrauchsfällen überrollt. Ein Fall in Salzburg und das Schicksal des Opfers empört jetzt das ganze Land.

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Die „heiligen“ Gemäuer heimischer Klöster wurden für viele Kinder und Jugendliche zur Hölle. Immer mehr Missbrauchs-Fälle werden bekannt, jetzt melden sich die ersten Opfer zu Wort.

Der aktuellste Fall erschüttert ganz Österreich: Im ältesten Kloster des Landes, in St. Peter in Salzburg, überschlagen sich die Ereignisse. Ein Opfer (53) erzählte gestern anonym erstmals, was ihm die Gottesmänner alles angetan hatten.

Opfer: Ich hatte eine Todesangst
Das 53-jährige Missbrauchs-Opfer sprach im ORF-Interview über die schreckliche Zeit im Kloster St. Peter: Über den Missbrauch durch den jetzigen Erzabt Bruno Becker: „In einer Grotte musste ich mich dann auf seinen Schoß setzen. Er drückte mich an sich, ich war von vorneherein wehrlos.“ Über den Missbrauch durch Frater Markus am Kirchturm von St. Peter: „Das war eine Todesangst, ich saß da oben, ich konnte mich nicht rühren, ich konnte mich nur festhalten; er stand vor mir und hatte mir in die Hose gegriffen und dabei hat er sich selbst auch befriedigt.“ Über den Missbrauch durch Josef B., der sich später an jungen Marokkanern verging: „Beichten durfte ich nur bei Pater B. Dann musste ich beichten, dass ich mit anderen Unkeusches getan habe und dann gab er mir die Absolution. Im Grunde musste ich das beichten, was er verbrochen hat.“

 

Vier Männer aus dem Kloster St. Peter sind bisher involviert:
Abt als Täter. Erzabt Bruno Becker (64) – er war selbst als Kind missbraucht worden – gab zu, sich einmal an dem heute 53-Jährigen vergriffen zu haben. Das Opfer war zwölf Jahre alt, als der damalige Priesteramtskandidat den Hauptschüler bei einem Radausflug missbrauchte. Becker bot seinen Rücktritt an. Der Prior von St. Peter, Korbinian Birnbacher, sagt: „Bei sexuellem Missbrauch gibt es keine Toleranz, auch nicht für einen Erzabt.“ Empörung gibt es, weil Becker seinem Opfer im Herbst offenbar 5.000 Euro Schweigegeld geboten hatte. Die Kirche dementiert: Es habe sich um „Schmerzensgeld“ gehandelt.

Missbrauch auf Kirchturm
Am schlimmsten dürften aber zwei andere Padres gewütet haben. „Frater Markus“ (74) hat sein damals elfjähriges Opfer auf den 78 Meter hohen Kirchturm von St. Peter gelockt, „um ihm die Aussicht zu zeigen.“ Dort kam es zu schweren sexuellen Misshandlungen. Sechs Jahre lang wurde das Opfer von Frater Markus und Pater Josef B. misshandelt.

Musiklehrer
In den 70er Jahren verlässt Josef B. den Orden, Frater Markus wird – offenbar als erste Gerüchte über den Missbrauch die Runde machen – nach Klöstern in Oberösterreich und Bayern versetzt. Dort ist er jahrelang als Pfarrer und Musiklehrer tätig.

Sex-Touristen
Unglaublich: In den Jahren 2003 bis 2005 machten die beiden Männer Gottes dann mit ihrem Komplizen Johann S. (kein Kirchen-Mann) Sex-Ausflüge nach Marokko. Der teuflische Plan: Sie lockten junge Marokkaner (zwischen elf und 18 Jahren) in ihr Appartement und vergingen sich dort an ihnen. Im Jahr 2005 flog alles auf: Die Männer standen 2008 nach einem Versteckspiel mit den Behörden in Salzburg vor Gericht. Josef B. und Johann S. werden verurteilt. Frater Markus hatte sich nach Deutschland abgesetzt. B. starb im vergangenen Februar.

Hunderte Fälle
Der vierte Fall: In den 90er Jahren vergriff sich Pater Raphael G. aus St. Peter in Annaberg (Bezirk Hallein) über 300 Mal an Dutzenden Minis­tranten. 2005 wurde er zu 18 Monaten (bedingt) verurteilt.

Klar ist: Das Kloster wollte die Affäre noch länger vertuschen – nur der mediale Druck war zu groß. Der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser fordert jetzt: „Der Fall muss schonungslos aufgeklärt werden.“

Fall 2: Pater gestand Sex-Übergriffe
Der Sex-Skandal erreicht auch das westlichste Bundesland Vorarlberg: So soll auch das Internat Kloster Mehrerau von gleich zwei Missbrauchsfällen betroffen sein.
Priester versetzt. Bereits in den 1980er Jahren war ein Schüler des Zisterzienser-Klosters von einem Pater sexuell missbraucht worden. Dies bestätigte nun auch der Abt des Internats Anselm van der Linde. Damals seien die Eltern des betroffenen Schülers beim damaligen Abt des Klosters vorstellig geworden, hätten dann aber auf eine Anzeige verzichtet. Die Bedingung: Der Pater müsse sofort versetzt werden, was dann auch geschah. Er wurde nach Tirol versetzt und habe sich einer Therapie unterzogen. Bis heute soll er noch als Priester im Amt sein.
Pater suspendiert und verurteilt. Ein zweiter Fall ereignete sich 2001 durch einen Mehrerauer Pater, diesmal allerdings nicht im Kloster selbst. Der Pater studierte in der Zeit in Innsbruck und habe dort ohne Erlaubnis des Abtes auch Nachhilfe erteilt. Er habe sich einen Burschen aus dem Drogenmilieu geholt und ihn sexuell missbraucht. Der Pater wurde vom Dienst suspendiert, von einem Gericht verurteilt, zeigte sich aber uneinsichtig.

Fall 3 & 4: Vier Priester misshandeln sechs Frauen
Auch in Kärnten sind jetzt Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche bekannt geworden. Das bestätigt die Ombudsstelle der Diözese Gurk, die seit 1995 besteht. Bis jetzt wurden acht Fälle gemeldet – die jüngsten beiden erst am Montag. In sechs Fällen waren Frauen die Opfer. Als Täter wurden vier Priester und zwei kirchennahe Personen beschuldigt. Es laufen noch immer die Ermittlungen. Es hat noch in keinem Fall eine Verurteilung gegeben. Die Schlinge um Porno-Pater Roman N., bis Februar Pfarrer der niederösterreichischen Gemeinde Willendorf, zieht sich zu. Wie jetzt durchdringt, wurden wegen Kinderpornografie gleich drei Computer beschlagnahmt. Zwei Geräte gehörten der Pfarre, eines dem Geistlichen selbst.

Fall 5: Übergriffe im Jugendlager an Buben
Aus den 70ern stammt ein Fall von – mutmaßlich mehrfachem – sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese Graz-Seckau: Ein heute 46 Jahre alter Mann gab Ende Februar an, auf einem Jugendlager sei es zu Übergriffen durch einen mittlerweile verstorbenen Pfarrer und Religionslehrer aus dem Stift Admont gekommen.
Die Diözese bestätigte, dass der Fall bekannt sei. Der Abt des Stiftes, Prälat Bruno Hubl, hat sich öffentlich entschuldigt.

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