Klima-Demo eskalierte
Proteste gegen Gas-Konferenz gewaltsam aufgelöst
27.03.2023Pfefferspray und Hundestaffel in der Johannesgasse, Umwandlung zur "Marschkundgebung" am Ring
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Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hätte die Europäische Gaskonferenz (EGC) am Montag in einem Wiener Hotel am Parkring stattfinden sollen, dies verhinderten jedoch Umweltaktivisten von "BlockGas" und "Don't Gas Africa" mit nicht angemeldeten Versammlungen. Ab 8.00 Uhr standen sich alsbald Polizei und Protestierende sowohl neben dem Hotel am Ring wie auch in der 250 Meter davon entfernten Johannesgasse gegenüber, wo die Kundgebung teils mit Pfefferspray aufgelöst wurde.
Kritik am Polizeieinsatz
Deutliche Kritik am Polizeieinsatz kam am Nachmittag von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die die Proteste eigenen Angaben zufolge an Ort und Stelle verfolgt hatte. Die Polizei habe Demonstrierende eingekesselt, sei "sehr aggressiv" vorgegangen und habe "unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt", schrieb Amnesty International Österreich auf Twitter. Die Behauptung der Polizei, Demonstrierende hätten strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden gesetzt, könne "von uns nicht nachvollzogen werden". Amnesty zeigte sich "besorgt über die Kriminalisierung friedlicher Proteste", der Staat habe "die Pflicht, friedliche Proteste zu ermöglichen und nicht zu verhindern, wie wir es heute gesehen haben".
"In diesem Hotel trifft sich gerade die europäische Gasindustrie mit Investoren, wie beispielsweise BlackRock, und der europäischen Politik, um dort über die Zukunft unseres Energiesystems zu verhandeln", hatte zuvor Verena Gradinger, Sprecherin des Bündnisses "BlockGas", den Grund für die Proteste benannt. Anselm Schindler, ebenfalls von "BlockGas", sprach von "Profiteuren des Krieges und der Inflation", die über die nächsten Jahrzehnte die Gasinfrastruktur weiter ausbauen würden. Auch an den Küsten Afrikas und in Lateinamerikas werde agiert, Schindler ortete "koloniale Kontinuitäten", denn die Energiearmut bliebe der jeweiligen Bevölkerung erhalten, die Ressourcen seien schließlich für "uns" in Europa.
Proteste führten zu Staus
Die Proteste führten zu Staus auf allen Zufahrten rund um den Parkring, wie der ÖAMTC gegenüber der APA mitteilte. Bei der nicht angemeldeten Versammlung von Umweltaktivisten an der Kreuzung Johannesgasse/Kantgasse kam es gegen 9.15 Uhr unter anderem zum Einsatz von Pfefferspray, als die Gruppe trotz Unterzahl versuchte, die Reihen der Exekutive zu durchbrechen - die Landespolizeidirektion (LPD) schrieb auf Twitter von "koordinierten Versuchen, zum Veranstaltungsort vorzudringen". Bei der Anhaltung der Kundgebung seien zwei Polizisten durch Widerstand gegen die Staatsgewalt verletzt worden, sagte Polizeisprecherin Barbara Gass.
Die zuvor bereits umstellten Teilnehmenden wurden infolge mit Absperrgittern blockiert, zahlenmäßig war die Exekutive den rund 50 Protestierenden weit überlegen, Diensthundestaffel und die Sondereinheit WEGA unterstützen die bereits anwesenden Beamten. Die LPD Wien begründete das weitere Vorgehen per Twitter, dass wegen "schwerer gemeinschaftliche Gewalt" (Paragraf 274 StGB) eingeschritten werde, und daher Identitätsfeststellungen vorgenommen werden müssten. Mit ersten Festnahmen wurde gegen 10.00 Uhr begonnen. Die zweite, nicht angemeldete Kundgebung am Parkring in unmittelbarer Nähe des Tagungshotels konnte hingegen ungehindert weiter gehen, und wurde in eine "Marschkundgebung" umgewandelt.
Platzverbot verordnet
Das am Parkring gelegene Tagungshotel selbst war bereits im Vorfeld von der Polizei großräumig abgeriegelt und ein Platzverbot ausgesprochen worden. Laut Gass stehen am Montag und in den kommenden Tagen "mehrere hundert Beamte" im Einsatz, nicht nur bei den aktuellen Kundgebungen in der Nähe des Konferenzortes. Der ÖAMTC riet dazu, verstärkt auf U-Bahnen auszuweichen und sich frühzeitig über etwaige Verkehrsbehinderungen zu informieren.
Unter anderem auch aus dem Ausland angereisten Aktivisten machten darauf aufmerksam, dass die Konferenz abseits der Öffentlichkeit stattfinden sollte. "Gas Is Colonialism" und "Last Winter Of Gas", war beispielsweise auf Transparenten zu lesen. Mit den Protestaktionen werde "ein Ende der klimaschädlichen, undemokratischen und anti-sozialen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen" gefordert, hieß es in einer Aussendung des internationalen Bündnisses "BlockGas".
Weitere Proteste geplant
"Wir haben eine koloniale Geschichte", sagte Lorraine Chiponda von "Don't Gas Africa" gegenüber der APA. Sie sprach von Unternehmen, die kontinuierlich die afrikanischen Ressourcen ausgebeutet und damit massive, obszöne Gewinne erzielt hätten. "Wir sind nicht die Tankstelle Europas", ergänzte Mitstreiter Dean Bhebe aus Südafrika. Die Ausbeutung der Ressourcen habe die Ungleichheit auf dem ganzen Kontinent vorangetrieben. "Die Ernährungssicherheit von Fischereigemeinden im Senegal ist wegen neuer Gas-Explorationen gefährdet", so Bhebe unter Hinweis auf neue LNG-Gas-Megaprojekte an den Küsten, die als Antwort auf die gesunkenen Importe aus Russland aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine erfolgen.
Aus Österreich schloss sich unter anderen "Fridays For Future" den Protesten an, Global 2000 projizierte laut einer Aussendung den Schriftzug "Stop Europe's Fossil Energy Addiction" auf das Konferenzgebäude und die Raffinerie der einladenden OMV. Aktivisten von Attac hielten am Wochenende einen Alternativengipfel ab und riefen für Dienstag um 17.30 Uhr am Stephansplatz zur Demonstration "Stoppt die Gaslobby!" auf. "Die Protestierenden werden kriminalisiert, doch die eigentlichen Verbrechen werden von der fossilen Gasindustrie hinter verschlossenen Türen beschlossen", kommentierte Alexander Egit, Geschäftsführer bei Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, das heutige Vorgehen.
Das sagen:
- Verena Gradinger, Sprecherin von "BlockGas": "In diesem Hotel trifft sich gerade die europäische Gasindustrie mit Investoren, wie beispielsweise BlackRock, und der europäischen Politik, um dort über die Zukunft unseres Energiesystems zu verhandeln."
- OMV-Chef Alfred Stern: "Mittlerweile hat ein Großteil der Menschen erkannt, dass wir gegen den Klimawandel was tun müssen, und dass wir das so schnell wie möglich tun müssen. Aber es muss uns auch ganz klar sein, dass wir ein Energiesystem nicht über Nacht transformieren können und dass es nicht möglich ist, das bestehende Energiesystem einfach abzustellen, bevor wir nicht ein neues, nachhaltigeres Energiesystem aufgestellt haben."