Die Zahl der Arbeitsunfälle sinkt. Immer mehr Österreicher fehlen wegen Depressionen, Alkoholismus und Burn-Out.
Schon jeder 16. Krankenstandstag ist auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen. Das geht aus Zahlen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger hervor. Demnach waren die österreicherischen Arbeiter und Angestellten im Vorjahr insgesamt 38,7 Millionen Tage lang im Krankenstand, 2,4 Millionen Fehltage wurden durch psychische Probleme wie Depressionen, Alkoholismus oder Burn-Out verursacht. Die Ursachen für den Trend sind vielfältig: Private Faktoren, Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit und krisenbedingte Job-Angst.
Wenn einer fehlt, dann länger
Während die Zahl der
Krankenstandstage im Vorjahr leicht zurückgegangen ist, hat sich die
durchschnittliche Fehlzeit pro Arbeitnehmer leicht erhöht. Das ist aber auch
auf den krisenbedingten Rückgang der Beschäftigung zurückzuführen, denn im
Vorjahr ist die Zahl der Arbeiter und Angestellten in Österreich erstmals
seit Jahren gesunken (auf 3,07 Millionen Beschäftigte im Jahresdurchschnitt).
Mehr psychische Erkrankungen
Während die klassischen
Arbeitsunfälle seit Jahren zurückgehen, sind psychisch bedingte
Krankenstände im Vormarsch: Vor zehn Jahren kamen auf 1.000 Arbeitnehmer
noch 62 Arbeitsunfälle, im Vorjahr waren es nur noch 39. Die Zahl der
psychischen Erkrankungen je 1.000 Arbeitnehmer ist dagegen von 16,7 auf 21,3
gestiegen. 65.525 Arbeitnehmer ließen sich im Vorjahr wegen Alkoholismus,
Depressionen oder Burn-Out krankschreiben, davon 40.856 Frauen.
Durchschnittlich fallen diese Arbeitnehmer 37 Tage lang aus - mehr als
dreimal so viel, wie bei anderen Krankheiten.
Familie, Betriebsklima, Jobangst
Die Hintergründe sind
vielfältig, wie Harald Schmadlbauer von der Oberösterreichischen
Gebietskrankenkasse, wo ein entsprechendes Präventionsprojekt koordiniert
wird, sagte. Eine belastende familiäre Situation (z.B. Pflege) komme als
Hintergrund von Burn-Out-Fällen genauso infrage, wie "unternehmenskulturelle
Faktoren": Vergiftetes Betriebsklima, Leistungsdruck, die Vermischung von
Privat- und Berufsleben mit ständiger Erreichbarkeit und Rufbereitschaft
selbst bei Handelsmitarbeiterinnen. Dazu komme aktuell die krisenbedingte
Angst um den Arbeitsplatz.
Hohe Dunkelziffer bei psych. Kranken
Außerdem gehen sowohl
Schmadlbauer als auch Alice Kundtner von der Wiener Arbeiterkammer von einer
hohen Dunkelziffer an psychischen Erkrankungen aus, die in der Statistik
nicht aufscheinen. Kundtner verweist darauf, dass bereits ein Drittel der
Frühpensionierungen wegen Berufsunfähigkeit bzw. Invalidität aufgrund von
psychischen Problemen genehmigt wird. Häufig hätten nämlich auch auf den
ersten Blick körperliche Probleme wie Herzrhythmusstörungen oder
Bandscheibenvorfall psychische Ursachen. Welchen Einfluss die
Arbeitsbedingungen auf psychische Erkrankungen haben, wurde aber bisher
nicht erforscht. Hier tappe man selbst noch im Dunkeln, sagt Kundtner. Eine
Wifo-Studie soll nun etwas mehr Klarheit bringen.