Dramatische OP

Lauda: Die Wahrheit über seine Krankheit

04.08.2018

Seit gestern atmet Niki Lauda wieder selbstständig. So verliefen die dramatischen Tage davor.

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Samstag, 4. August, 12 Uhr: Für viele grenzt es nach den schrecklichen Nachrichten der vergangenen Tage an ein Wunder: Niki Lauda macht wieder die Augen auf. Er ist noch ein wenig verwirrt, doch es kann kein Zweifel bestehen. Der Patient, mit dem das ganze Land, viele in der ganzen Welt mitgezittert haben, ist aufgewacht. Nicht nur das: Nach wenigen Stunden kann er auch wieder selbstständig atmen. Die Beatmungsmaschine kann abgestellt werden, die neue Lunge funktioniert.

Doch noch ein Happyend nach dem für Lauda bisher so schrecklichen Sommer? ÖSTERREICH protokolliert die Ereignisse der letzten Wochen:

Im AKH geht’s gleich auf die Intensivstation

Anfang Juli 2018: Niki Lauda macht nach dem Formel-1-Weekend am Österreich-Ring einen Kurz-Besuch in Ibiza bei seiner Familie. Er ist leicht erkältet und hustet stark. Niki fliegt trotzdem am 6. Juli zum GP nach Silverstone, stark verkühlt, danach will er sich in Ibiza erholen. In den folgenden Tagen in Ibiza wird aus der Verkühlung zunächst eine Sommergrippe, der Husten immer stärker, Niki kann kaum noch atmen. In seiner Verzweiflung lässt er sich in seinem Jet ins Wiener AKH fliegen. An seiner Seite: sein Sohn.

Freitag, 20. Juli: Das Mercedes-Team erwartet Lauda dringend am Hockenheim-Ring. Vergeblich. Niki checkt Freitagmittag im AKH ein. Sein Vertrauensarzt schlägt Alarm. Lauda wird sofort auf die Intensivstation der Thorax

Lungen-Abteilung verlegt. Diagnose: schwere Lungenentzündung. Die 20 Tage lang verschleppte Grippe hat die Lunge angegriffen.

Wochenende 21./22. Juli: Das Mercedes-Team entschuldigt Lauda beim Deutschland-GP mit „starkem Husten“. Der liegt in Wahrheit auf der Intensivstation. Die Ärzte versuchen, mit Antibiotika-Infusionen die Lungenentzündung zu stabilisieren. Doch das ist schwierig: Lauda ist als Patient ein „Sonderfall“, weil er bereits zwei Nieren-Transplantationen hatte und starke Immun-Medikamente nimmt.

Dazu kommt ein Problem, das Lauda geheim gehalten hat: Er hatte am Höhepunkt des Stresses mit Laudamotion im April einen leichten Herzinfarkt, bekam im AKH bei einer Herz-OP einen Stent gesetzt, damit die Blutzufuhr ins Herz weiter funktioniert.

Montag, 23. bis Freitag, 27. Juli: Lauda gelingt es auch diesmal, seinen Krankenhaus-Aufenthalt geheim zu halten. Niemand weiß davon – nicht einmal sein genialer Mercedes-Partner Toto Wolff.

Nur die engsten Mitarbeiter von Laudamotion wissen, dass Niki im AKH ist, weil die Gewerkschaft ultimativ bis 31. Juli einen Kollektiv-Vertrag fordert, sonst ab 6. August streiken will. Es finden Krisen-Konferenzen via Telefon statt – Lauda beschließt, seinen Anteil an Laudamotion zu verkaufen.

Dienstag, 24. Juli: Die Lunge von Lauda beginnt zu versagen, sie arbeitet nicht mehr, das Herz bekommt viel zu wenig Sauerstoff – es herrscht akute Lebensgefahr. Lauda wird an eine „Herz-Lungen-Maschine“ angeschlossen, die ihm Sauerstoff in den Blutkreislauf und ins Herz pumpt. Er kann noch mühsam sprechen, aber kaum atmen. Sein Sohn und Ehefrau Birgit sind rund um die Uhr bei ihm.

Vor der OP versucht Niki, Laudamotion zu verkaufen

Wochenende 28./29. Juli: Die Situation wird immer dramatischer. Laudas Lunge funktioniert nicht mehr – nur noch die Herz/Lungen-Pumpe hält ihn am Leben.

Beim GP am Hungaroring fällt Laudas neuerliches Fehlen auf. Selbst das Mercedes-Team hat keine Informationen – offiziell heißt es: Er kuriert seinen Husten aus. Aber: Niki hebt entgegen seinen Gewohnheiten sein Handy nicht ab. Alle haben Sorge.

Dienstag, 31. Juli: ÖSTERREICH bekommt aus dem engsten Freundeskreis von Niki die Information, dass er im AKH liegt. Ein Recheck bei führenden AKH-Ärzten bestätigt: Lauda liegt sogar auf der Intensivstation. Sein Zustand wird als „ernst bis dramatisch“ beschrieben.

Mittwoch, 1. August: ÖSTERREICH erscheint mit der Titel-Zeile „Spitals-Drama um Niki Lauda“. Nach einer Sondersendung von oe24.TV, in der der ­ÖSTERREICH-Herausgeber versucht hat, Lauda zu erreichen, meldet sich Niki Lauda via SMS bei seinem Freund Wolfgang Fellner: „Bin im Moment nicht gut ­erreichbar. Melde mich. Niki.“

Was keiner ahnt: Lauda schwebt zu diesem Zeitpunkt in höchster Lebensgefahr. Lauda führt trotzdem Telefon-Konferenzen vom Krankenbett aus – will seine Anteile an Laudamotion verkaufen. Ryanair-Chef O’Leary kommt Dienstag nach Wien, will Niki besuchen, wird aber nicht ans Krankenbett gelassen, telefoniert stattdessen mit Lauda über den Verkauf seiner Anteile an Ryanair.

Die Ärzte entscheiden, dass nur noch eine Lungen-Transplantation das Leben unseres Nationalhelden retten kann. Über „Eurotransplant“ wird eine Spender-Lunge mit höchster Dringlichkeitsstufe angefordert. In der Anforderung steht, dass die Über­lebensfähigkeit von Lauda „nur noch drei bis sieben Tage“ beträgt. Die Lunge hat ihre Funktion aufgegeben, Lauda wird nur noch von der „Pumpe“ am Leben erhalten, ist mittlerweile nicht mehr ansprechbar, kann die Verkaufsverhandlungen für die Airline nicht mehr weiterführen.

Mittwochabend wird in Hamburg eine funktionsfähige, für Lauda passende Lunge gefunden. Sie wird in der Nacht auf Donnerstag mit einem Sonder-Jet nach Wien und mit Blaulicht-­Eskorte ins AKH gebracht.

Noch in der Nacht wird die Lunge auf einer speziellen „Ex-vivo“-Maschine für Lauda und seinen Organismus vorbereitet.

Die komplizierte Operation dauert über sechs Stunden

Donnerstag, 2. August, 9 Uhr: Auf der Thorax-Chirurgie im AKH beginnt ein 10 Personen starkes Ärzteteam unter Leitung des weltweit führenden Lungen-Spezialisten Univ.-Prof. Walter Klepetko und seines Kollegen Konrad Hötzenecker mit zahllosen Helfern mit der extrem komplizierten Operation. Diese komplizierteste aller Transplantationen beginnt mit der Öffnung des gesamten Brustkorbs zwischen 8. und 9. Rippe. Bei Lauda werden beide (!) Lungenflügel entfernt und Stück für Stück neu angesetzt, mit Blutgefäßen, Luftröhre und Herz verbunden.

Die Operation dauert volle sechs (!) Stunden, um 15 Uhr sind die Ärzte fertig, die Transplantation ist geglückt. Für das Team um Klepetko ist das eine Routine-OP – sie führen jeden dritten Tag eine Lungen-Transplantation durch. Das war heuer schon Nr. 65.

Lauda bleibt vorerst im künstlichen Koma, über zahllose Messgeräte werden Herz, Kreislauf, Niere, Blut überwacht. Das Team um Walter Klepetko hat ein Wunder bewirkt – Niki Lauda lebt.

Freitag, 3. August: Bei den Visiten am Vormittag stellt sich heraus, dass die Transplantation hervorragend funktioniert hat. Die Niere funktioniert, das Herz auch, keine Nachblutungen, der Körper hat die neue Lunge (vorerst) angenommen. Jetzt nur keine Rückfälle.

Freitagnachmittag: Die Ärzte beginnen bei Niki Lauda mit der Aufwach-Phase.

Samstag, 3. August, 12 Uhr: Niki Lauda erwacht aus dem Tiefschlaf. Die Ärzte beginnen ihn zu extubieren, das heißt: Sie setzen die künstliche Beatmung aus – der Patient kann mit seiner neuen Lunge wieder selbstständig atmen. Für die Ärzte ist es Gewissheit: Alles ist bisher ohne Komplikationen verlaufen.

Jetzt beginnt sein Weg zurück ins normale Leben: Mindestens vier Wochen wird Lauda im AKH bleiben, dann zwei Wochen Therapie. Frühestens im Oktober kann er in den Formel-1-Zirkus zurückkehren. Dann allerdings, so Prof. Klepetko, „ist er wieder der Alte. Er wird wieder fliegen, arbeiten, Sport ­treiben können wie zuvor.“

„Im Vorjahr“, so der geniale Lungen-Spezialist zu oe24, „sind wir mit zehn Lungen-Transplantations-Patienten auf den Kilimandscharo gestiegen, um zu zeigen, wie funktionsfähig der Körper danach ist. Mit Niki ist der Kilimandscharo vielleicht nicht gleich drin, aber ich hoffe, dass ich mit ihm noch heuer auf den Kahlenberg gehen kann …“

>>>Nachlesen: Das Wunder! Lauda wieder aus Koma erwacht

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