Irre Rettung: Tibor A. schildert seine unglaubliche Rettungsfahrt ohne Arm.
Selbst für die Ärzte im Wiener AKH ist die Selbstrettung von Tibor A. ein kleines Wunder. „Die Ärzte hier meinten: Jeder andere kippt um und ist nach wenigen Minuten tot“, erzählt Tibor A.
Held der Woche
Am 11. Mai muss der 43-Jährige so etwas wie Superman-Kräfte entwickelt haben. In Purbach am Neusiedler See arbeitet er auf einer Baustelle, will das Förderband einer Maschine reinigen. Dabei bleibt er mit dem Pulli hängen, sein linker Arm kommt unter die Lamellen, wird abgetrennt
. „Dabei wurde ihm der Arm am Ellbogen abgetrennt und die Nerven bis zur Schulter ausgerissen“, erklärt der plastische Chirurg am AKH, Oskar Aszmann.
Und dann beginnt die wahnwitzige Selbstrettung: Tibor A. schmeißt seine Hand in den Kofferraum und fährt selbst 20 Kilometer mit einer abgetrennten Hand ins Krankenhaus nach Eisenstadt. Wo er einen langen Burgenländer-Witz durchlebt (siehe Interview). Mit dem Heli wird er ins AKH geflogen und neun Stunden operiert.
OP im AKH bestens verlaufen
„Bei dieser Operation wird zunächst das Skelett gestählt. Da geht es um die Sicherstellung, dass das Ellbogengelenk wieder funktioniert. Wir plastischen Chirurgen kümmern uns um die Weichteil-Rekonstruktion“, erklärt Aszmann. Der Starchirurg hat ganze Arbeit geleistet. Am Mittwoch durfte Tibor A. zum ersten Mal aufstehen.
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"Plötzlich fiel mein Arm aus dem Pulli"
ÖSTERREICH: Herr Tibor, ganz Österreich spricht über Ihre unglaubliche Autofahrt ohne Arm. Haben Sie Superman-Kräfte?
Tibor A.: Es war für mich das Normalste auf der Welt, ins Auto zu steigen. Ich war ganz alleine auf der Baustelle, rundherum nur Felder und weit und breit gab es keine Häuser. In diesem Moment war ich vollkommen fokussiert, hatte null Schmerzen. Meine Idee war, mit dem Auto zumindest in den nächsten Ort zu kommen.
ÖSTERREICH: Warum haben Sie nicht die Rettung gerufen?
Tibor A.: Da ich sehr schlecht Deutsch spreche, hatte ich Angst, dass mir die Rettung nicht glaubt, wenn ich sage, mir hat es meinen ganzen Arm abgerissen.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie den Unfall erlebt?
Tibor A.: Der Unfall passierte beim Reinigen des Lieferbandes. Ich trug einen Pullover und blieb damit irgendwie hängen. Wie das genau passierte, weiß ich nicht mehr. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass plötzlich mein Arm aus dem Pullover rutschte. Der Arm fiel auf die Erde, war komplett voller Staub. Als ich mitbekam, was passiert war, habe ich versucht, mit dem Pullover-Ärmel die starke Blutung irgendwie zu stillen. Dann packte ich den Arm, schmiss ihn in den Kofferraum und setzte mich hinters Lenkrad.
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ÖSTERREICH:
Tibor A.:
ÖSTERREICH: Und wie funktioniert das Lenken, Schalten, Wassertrinken, wenn der rechte Arm im Kofferraum liegt?
Tibor A.: Wenn ich während der Fahrt mit der linken Hand getrunken oder geschalten habe, versuchte ich, das Auto mit den Knien zu lenken.
ÖSTERREICH: Haben Sie nicht unheimlich viel Blut bei der Fahrt verloren?
Tibor A.: Natürlich, meine komplette Kleidung war in Blut getränkt. Auch das Lenkrad und das Auto waren voller Blut.
ÖSTERREICH: Waren Sie nicht verzweifelt, als der Krankenhaus-Portier Sie nicht vor dem Krankenhaus parken ließ?
Tibor A.: Ich kannte das Eisenstädter Krankenhaus, aber es wurde umgebaut. Deswegen bin ich zum falschen Eingang gefahren. Der Portier meinte, ich muss auf die andere Seite in die Parkgarage fahren. Das habe ich auch gemacht, habe sogar noch ein Parkticket gelöst, musste beim Einparken einmal reversieren. Dann nahm ich den Arm aus dem Kofferraum, legte ihn auf den Boden, um den Kofferraum wieder zu schließen und ging mit dem Arm in der Hand ins Krankenhaus.
ÖSTERREICH: Und wurden Sie wenigstens jetzt sofort im Eisenstädter Spital verarztet?
Tibor A.: Nein. Der Portier schickte mich in den zweiten Stock. Er hat mir nicht einmal geholfen, den Lift zu bedienen. Das habe ich mit meinem Ellbogen erledigt. Auf der Station hat man mich dann gefragt: „Was fehlt Ihnen denn?“ (Lacht.) Und ich antwortete nur: Mir hat es den Arm abgerissen.
ÖSTERREICH: Und wann haben Sie nach der irren Rettungsfahrt das Bewusstsein verloren?
Tibor A: Als die Ärzte mich auf eine Bahre gelegt hatten, habe ich sie gebeten, dass sie mit meinem Handy meinen Vater anrufen und ihn rasch verständigen. Aber keiner hat das gemacht. Sie haben mir nur gesagt, dass ich ins AKH nach Wien muss. Das war das Letzte, woran ich mich erinnern kann. Dann bin ich erst wieder am Sonntag gegen 13 Uhr im AKH aufgewacht. Und ich danke Gott, dass ich zu so tollen Ärzten gekommen bin, die meinen Arm wieder angenäht haben.
ÖSTERREICH: Fühlen Sie sich als Glückspilz?
Tibor A.: Eigentlich schon. Ich habe schon überlegt, ob ich in Zukunft nicht Lotto spielen sollte, weil ich so viel Glück habe. Zu meiner Familie habe ich gesagt: Ich hatte am 27. April Geburtstag, am 11. Mai habe ich nochmals ein Geburtstagsgeschenk bekommen. Denn die Ärzte im AKH haben mir erzählt, dass ich der Einzige auf der Welt bin, dem so eine Rettungsfahrt gelungen ist. Jeder andere wäre nach wenigen Minuten umgekippt und tot gewesen.
ÖSTERREICH: Wie stehen die Chancen, dass Sie Ihren angenähten Arm wieder vollständig bewegen können?
Tibor A.: Ich bin jetzt dreimal innerhalb von einer Woche operiert worden. Der Ellbogen wurde von Metall-Lamellen abgetrennt und die Nerven wurden bis zur Schulter ausgerissen. Wie gut ich meinen Arm in Zukunft bewegen kann, können mir die Ärzte derzeit noch nicht beantworten.