Anklage liegt vor
Massive Vorwürfe gegen Top-Polizisten
16.02.2010
Der 52-Jährige war angeblich auf Du-und-Du mit Wiener Unterwelt-Größen.
Für einen 52-jährigen Chefinspektor der Wiener Polizei, der mit Wiener Unterwelt-Größen auf Du-und-Du gewesen sein soll, wird es eng. Wie Behördensprecher Friedrich Köhl am Dienstag bekanntgab, hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg beim Wiener Straflandesgericht gegen den vom Dienst suspendierten Spitzenbeamten eine Anklage eingebracht, die sich wie ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch liest.
Bis zu fünf Jahre Haft
Dem ehemaligen Gruppenleiter der
Kriminaldirektion (KD) 1 wird Amtsmissbrauch, Verletzung des
Amtsgeheimnisses, Nötigung, falsche Zeugenaussage, Bestimmung zur
Falschaussage, Betrug und das Begehen strafbarer Handlungen unter Ausnützung
der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheiten angelastet. Dafür
ist ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Haft vorgesehen. Die
Anklageschrift ist noch nicht rechtskräftig. Für den außer Dienst gestellten
Top-Ermittler, der stets sämtliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe als haltlos
zurückgewiesen hat, gilt die Unschuldsvermutung.
Fekter äußerte sich nicht
Vonseiten der Polizeispitze
gab es zu der Causa keine Stellungnahme. Innenministerin Maria Fekter (V)
äußere sich generell nicht zu "laufenden Verfahren", sagte ihr Sprecher
Martin Brandstötter. Wien Polizeipräsident Gerhard Pürstl ließ über eine
Sprecherin ausrichten, die Polizei verfolge "in den letzten Jahren eine
klare konsequente Linie, um Missstände abzustellen und das Standesansehen
der Kollegen nicht zu gefährden". Näher wollte man sich dazu nicht äußern.
Freundschaft zu "Repic"
Der Chefinspektor war vor drei
Jahren in die Schlagzeilen geraten, als ruchbar wurde, dass er in Feierlaune
auf der pompösen Hochzeitsfeier des ihm angeblich freundschaftlich innig
verbundenen Dragan J. alias "Repic" in Erscheinung trat. "Repic" galt als
Anführer einer Schutzgeld-Truppe, die in der Wiener Unterwelt Schrecken
verbreitet und in großem Stil abkassiert haben soll. Der Spitzenpolizist
wurde daraufhin vom Dienst suspendiert.
In weiterer Folge kamen immer neue und vor allem strafrechtlich gravierende Vorwürfe gegen den "Spitzenkieberer" zutage, die als Vorlage für einen Mafia-Film dienen hätten können.
Schießerei im Cafe
So soll der Chefinspektor im Zusammenhang
mit einer Schießerei im Cafe "Cappuccino" in Wien-Hernals, bei der am 30.
Mai 2006 ein Lokalbesucher erschossen und ein weiterer schwer verletzt
wurde, einseitig ermittelt und dazu beigetragen haben, dass ein Mann als
mutmaßlicher Mörder vor Geschworene gestellt wurde, gegen den die
Staatsanwaltschaft dann im Gerichtssaal mangels Indizien die Anklage fallen
lassen musste: Keiner der von der Polizei präsentierten Belastungszeugen
erkannte vor Gericht im Angeklagten den Schützen wieder.
Auf der anderen Seite stellte sich heraus, dass zum Zeitpunkt der Schießerei im "Cappuccino" mit Munir F. (42) eine Gürtel-Größe anwesend war, über die der Chefermittler seine "schützenden Hände" gehalten haben könnte. Als ein Zeuge nämlich zur Polizei ging, um eine Aussage über die Hintergründe der Bluttat zu machen, die Munir F. in Verlegenheit hätte bringen können, soll der Chefinspektor die Niederschrift zerrissen haben.
Gefälschte Textilien verkauft
Andere Zeugen wiederum soll
der Beamte beeinflusst und eingeschüchtert haben bzw. einschüchtern haben
lassen. Auch als Privatmann dürfte der 52-Jährige mit dem Strafgesetzbuch in
Konflikt geraten sein, indem er in einem Lokal von seiner Lebensgefährtin
besorgte gefälschte Textilien als Markenware der Firmen "Gucci" und "Louis
Vuitton" verkaufte.
Fest steht außerdem, dass sich der Kriminalist bestens mit einem 37-jährigen Geschäftsmann verstand, den Staatsanwältin Nicole Baczak am Dienstag im Wiener Straflandesgericht ungeniert der "Baumafia" zuordnete. Der Mann, der infolge dubioser Machenschaften seit sechs Monaten in U-Haft sitzt, wurde im Grauen Haus wegen versuchter Bestimmung zum Amtsmissbrauch zu neun Monaten bedingt verurteilt.
Der 37-Jährige hatte den Top-Kriminalsten dem nicht rechtskräftigen Urteil zufolge im Jänner 2007 dazu gebracht, für ihn in Erfahrung zu bringen, ob nach dem Ex-Geschäftsführer einer seiner Firmen gefahndet wurde, der ihm einen größeren Geldbetrag entwendet hatte. Angeblich auf Bitte des Geschäftsmanns eruierte der Polizist im EKIS-Computer, ob ein Haftbefehl vorlag.