Wie die Behörde versagte

Mord an Anita wird zum Polit-Skandal

11.12.2010

Vorbestrafter Sexualtäter zog Mädchen groß und missbrauchte sie 13 Jahre.

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© SID NOE
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Der Mordfall Anita K. wird immer mehr zum Behörden-Skandal: Erwin K. – der jetzt verdächtig wird, seine "Ziehtochter“ Anita in Eggern im Waldviertel ermordet und in der Slowakei verbrannt zu haben, ehe er sich in der Haft aufhängte – war bereits im jungen Alter als Triebtäter amtsbekannt (ÖSTERREICH berichtete). Obwohl er wegen Raub, Vergewaltigung oder Blutschande nicht nur in Haft, sondern auch in psychologischer Verwahrung war, wurde sein Strafregister bereinigt.

Hochintelligent
Der hochintelligente Diplomingenieur, der vier Sprachen spricht, wusste offenbar genau über die Schwächen des Systems Bescheid: Solange sein perverses Vorleben noch aufschien, gab er den geläuterten Biedermann und zeugte sogar eine Tochter und einen Sohn. Doch dann trennte sich der Triebtäter von seiner Familie. Und sucht sich beim Hilfswerk ÖHTB sein nächstes Opfer.

Taubblind
In dieser Betreuungseinrichtung für Taubblinde vertraute sich Szilvia K – sie war damals 13 – dem Betreuer Erwin K. an: Ihr Vater würde sie missbrauchen. Das Unfassbare geschieht: Erwin K. präsentiert sich als Retter (das Opfer glaubt das heute noch, siehe Interview rechts). Er drängt die Jugendliche zur Anzeige – der echte Vater (ein Ungar) wird verurteilt und ausgewiesen.

Minderjährig
Jetzt vollführt Erwin K. sein perverses Husarenstück: Mit Erlaubnis der taubblinden Mutter, wohl mit Wissen der Vereinsführung als auch unter den Augen von Schule und Jugendamt, erklärt er sich zum "Vater“ von Szilvia und dann auch von ihrer Schwester Anita – ohne je deren gesetzlicher Vertreter zu sein. Mit beiden hat er in der Wohnung in Wien und im Haus in Eggern Sex – sie sind damals minderjährig. Doch niemand bekommt etwas mit. Zumal die Opfer ihren Peiniger, der sie geschickt kontrolliert, lieben (lernen).

Gefälscht
Nur einmal, 2003, wollte Anita K. aus dem Dreiecksverhältnis ausbrechen. Die damals 16-Jährige ging zur MA 11, stotterte etwas von "psychischer Gewalt“ und durfte einige Wochen im Krisenzentrum Nussdorf verbringen. Die dortigen Sozialarbeiter versagten aber komplett. Obwohl es mehrere Gespräche mit der verstörten Jugendlichen wie auch dem "Vater“ – der aktenkundig nicht der Vormund war – gab, entließ man Anita K. wieder in die Obhut von Erwin K. Der war übrigens kurz davor in einer anderen sozialen Einrichtung der Stadt Wien als technischer Mitarbeiter fristlos gekündigt worden, weil man nach einem anonymen Hinweis erfahren hatte, dass er sein Leumundszeugnis gefälscht hatte und eine Sex-Bestie war..
 

"Vielleicht war das alles nur Gehirnwäsche"

Anitas Schwester Szilvia K. im ÖSTERREICH-Interview

ÖSTERREICH: Frau K., wie geht es Ihnen jetzt?
Szilvia K.
: Zurzeit versuche ich, Klarheit zu bekommen. Ich begreife immer noch nicht, was da passiert ist. Es sind so viele Fragen offen.

ÖSTERREICH: Wie war Erwin K. wirklich?
Szilvia:
In meinen Augen war er ein guter Mensch. Mir gegenüber war er immer liebevoll, zugänglich und hilfsbereit. Wie er in der Öffentlichkeit dargestellt wird, das trifft nicht auf ihn zu.

ÖSTERREICH: Er hat Ihnen geholfen, als Sie Ihren Vater wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt haben.
Szilvia:
Ja, er hat mich damals aus dem Schlamassel geholt. Ich war noch sehr jung. Bei ihm ging es mir von Anfang an gut. Auch meine schulischen Leistungen verbesserten sich, als ich zu ihm gezogen bin.

ÖSTERREICH: Lieben Sie Erwin immer noch?
Szilvia:
(nickt, unterdrückt Tränen.)

ÖSTERREICH: Waren Sie nie eifersüchtig auf Ihre Schwester? Erwin hatte ja auch Sex mit ihr ...
Szilvia:
Anita stand nie zwischen uns. Ich war immer die Nummer 1. Er hat mir auch immer das Gefühl gegeben, mich nie allein zu lassen. Vielleicht war das aber auch alles nur Gehirnwäsche.

ÖSTERREICH: Wieso Gehirnwäsche?
Szilvia:
Ich weiß einfach nicht mehr, was wirklich war und was nicht.

ÖSTERREICH: Wie war Ihr Verhältnis zu Anita?
Szilvia:
Sehr gut. Ich habe mich immer um sie gekümmert, sie beschützt. Auch, als wir noch klein waren und meine Mutter sie vernachlässigt hat.

ÖSTERREICH: Wann haben Sie Anita das letzte Mal gesehen?
Szilvia:
Am 28. Oktober bei uns im Haus. Erwin wollte mit ihr sprechen. Es ging um Geld.

ÖSTERREICH: Warum kam da die Polizei? Hatten Sie sie schon als vermisst gemeldet?
Szilvia:
Bevor Anita an dem Tag zu uns gefahren ist, hat sie ihren Freund Manuel gebeten, die Polizei zu rufen, wenn sie ihm nicht eine Nachricht per SMS schickt. Die Nachricht kam nicht. Also rief Manuel die Polizei.

ÖSTERREICH: Haben Sie mit Erwin darüber gesprochen, warum Ihre Schwester die Polizei einschalten wollte?
Szilvia:
Ja, er reagierte überrascht und verwundert. Aber vielleicht war das nur gespielt.

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