Auf freiem Fuß
Nach Terror-Alarm: Tschetschene in Wien enthaftet
07.01.2024Die Anordnung sei erlassen worden, "weil sich der dringende Tatverdacht nicht erhärtet hat", wie Behördensprecherin Bussek feststellte.
Köln/Wien. Einer von drei angeblichen Terroristen, die vor Weihnachten in einer Flüchtlingsunterkunft in Wien-Ottakring im Zusammenhang mit kolportierten Anschlagsplänen auf den Stephansdom sowie den Kölner Dom festgenommen worden sind, befindet sich seit vergangenem Freitag wieder auf freiem Fuß. "Er wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft enthaftet", teilte Florian Kreiner, der Verteidiger des 47-jährigen Tschetschenen, am Sonntagabend der APA mit.
Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte das auf APA-Anfrage. Die Anordnung sei erlassen worden, "weil sich der dringende Tatverdacht nicht erhärtet hat", wie Behördensprecherin Nina Bussek feststellte. Ursprünglich hatte es geheißen, der bisher unbescholtene Familienvater habe gemeinsam mit einem 28-jährigen Tadschiken und dessen 27 Jahre alter Ehefrau, die seit 2022 in Wien leben, einem Länder übergreifenden radikalislamistischen Terror-Netzwerk angehört, das Anschläge in Deutschland und in Wien erwogen haben soll. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen die mutmaßliche Zelle der Terrorgruppe "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) in Verbindung mit terroristischer Straftaten (§278c StGB).
14 Mobiltelefone sichergestellt worden
Im Zug einer Hausdurchsuchung waren bei den vor Weihnachten in Wien festgenommenen mutmaßlichen Islamisten, die die wider sie erhobenen Vorwürfe abstreiten, 14 Mobiltelefone sichergestellt worden, die seither ausgewertet werden. In Bezug auf den 47-Jährigen habe es "von Anfang an kein einziges Beweismittel gegeben", betonte dessen Verteidiger im Gespräch mit der APA. "Er ist nur deshalb festgenommen worden, weil er in der Flüchtlingsunterkunft zufällig direkt neben dem 28 Jahre alten Tadschiken gewohnt hat", sagte Anwalt Florian Kreiner.
Der Rechtsvertreter des Tschetschenen kritisierte scharf das Vorgehen der Justiz gegen den 47-Jährigen. "Es war von Anfang an klar, dass gegen ihn nichts vorliegt. Die Staatsanwaltschaft hätte nie die U-Haft beantragen, das Landesgericht für Strafsachen diesen Antrag nie genehmigen dürfen", meinte Kreiner. Der Tschetschene sei ohne Auflagen enthaftet worden - offenbar sei auch die Staatsanwaltschaft zum Schluss gekommen, dass dieser nicht an einem konspirativen Treffen in der Flüchtlingsunterkunft teilgenommen habe.
30-jähriger Tadschdike wurde observiert
Zu einem solchen dürfte es am 8. Dezember 2023 in der Wiener Flüchtlingsunterkunft gekommen sein, in der später die Festnahmen erfolgten. Federführend an dem Treffen nahm ein 30 Jahre alter Tadschdike teil, der aus Deutschland angereist war und der später den Stephansdom in einer für Touristen untypischen Weise filmte, auf Überwachungskameras überprüfte und das Gemäuer abklopfte. Der 30-Jährige, der dem deutschen Verfassungsschutz schon seit längerem bekannt war und der daher observiert wurde, soll bis zum 20. Dezember mehrmals den in dem Ottakringer Flüchtlingsheim gemeldeten 28-Jährigen sowie dessen türkisch stämmige Ehefrau und womöglich weitere Beteiligte getroffen haben.
Zwischenzeitlich flog der 30-Jährige für ein paar Tage nach Istanbul, kehrte am 18. Dezember nach Wien zurück, fertigte am 19. Dezember Fotos - und Videoaufnahmen vom Prater an - offenbar ein weiteres potenzielles Anschlagsziel - und kehrte am 20. Dezember nach Deutschland zurück. Am 24. Dezember wurde er in Wesel festgenommen - auf Basis eines von der Staatsanwaltschaft Wien beantragten Europäischen Haftbefehls, wie die Wiener Anklagebehörde am Sonntag der APA bestätigte.
Angriff auf Weihnachtsmesse im Stephansdom geplant
Einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge, die sich am Wochenende auf deutsche Ermittler berief, soll der 30-Jährige geplant gehabt haben, gemeinsam mit seinen Komplizen eine Weihnachtsmesse im Stephansdom anzugreifen. Zu Silvester sei ein Anschlag mit einem Auto auf den Kölner Dom geplant gewesen.
Der 30-Jährige befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt Köln, die Wiener Justiz hat bereits ein Auslieferungsverfahren eingeleitet, das bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln anhängig ist, wie die Kölner Polizei am Sonntag mitteilte.
Die deutschen Sicherheitsbehörden hatten kurz vor Weihnachten Hinweise auf einen im Kölner Dom oder im Umfeld des Doms geplanten Terroranschlag erhalten. Dahinter sollten islamistische Extremisten stehen. Nach weiteren Ermittlungen berichtete die Polizei zu Silvester, es handle sich um ein "Geflecht von Menschen aus Zentralasien". Im Zusammenhang mit den Ermittlungen wurden zu Silvester vier weitere Männer aufgegriffen.
28-jähriger Tadschike und seine Ehefrau weiter in U-Haft
Drei von ihnen im Alter von 25, 30 und 38 Jahren hatten die tadschikische beziehungsweise usbekische Staatsangehörigkeit und wurden in Nörvenich im Kreis Düren sowie in Duisburg und Herne im Ruhrgebiet festgesetzt, der vierte, ein 41 Jahre alter Deutschtürke, in Bochum. Nur der in Düren festgesetzte Mann, ein 25 Jahre alter Tadschike, kam auf richterliche Anordnung in polizeilichen Langzeitgewahrsam. Er kann noch bis 14. Jänner festgehalten werden. Die anderen wurden zu Neujahr wieder freigelassen. Die Polizei betonte, die Ingewahrsamnahmen hätten der Gefahrenabwehr gedient.
Der in Wien festgenommene 28 Jahre alte Tadschike und seine Ehefrau befinden sich weiter in U-Haft. Ob diese verlängert wird, entscheidet am Montag das Landesgericht für Strafsachen in einer Haftprüfung.