"10 Jahre Freiheit"

Natascha Kampusch: Ihr Leben als Bestseller

13.08.2016

Natascha Kampusch hat ein starkes Buch vorgelegt, in dem sie viel über sich preisgibt.

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© TZ Oesterreich Kernmayer Johannes
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Natascha Kampusch ist heute 28 Jahre alt und lebt weiterhin in ihrer Geburtsstadt Wien. In den zehn Jahren nach ihrer Selbstbefreiung versuchte sie sich in mehreren Jobs, interessiert sich für Aquarienfische und liebt Kakteen. Vielmehr ist jüngst nicht über sie bekannt geworden. Doch in ihrem neuen Buch 10 Jahre Freiheit, das am Freitag dieser Woche erschien (List Verlag, 240 Seiten, 19,99 Euro), gibt sie tiefe Einblicke. Von der gefühlten „Unfreiheit“ nach der Befreiung bis zum ersten Flirt im neuen Leben.

Natascha Kampusch: 
"Sie spuckten vor mir aus"

Natascha Kampusch hat auch in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeit nicht wirklich gescheut, auch wenn es manchem so vorkam. Sie hat mit befreundeten Journalisten gesprochen, ihre Interviews erreichten ein Millionenpublikum. Auch ihr neues Buch wird ein Bestseller über ihr Leben werden.

Freilich ist manches aus dem Erstlingswerk 3.096 Tage bekannt, in dem Natascha Kampusch vor allem ihr achteinhalbjähriges Martyrium im Verlies im Haus ­ihres Entführers Wolfgang Priklopil (44) beschrieb. Doch diesmal ist es auch eine Abrechnung mit Teilen der Öffentlichkeit, die sie nach der Befreiung ein zweites Mal zum Opfer machten. „Dann spuckten manche Leute vor mir aus“, schreibt Kampusch. Sie sei als „Schlampe“ beschimpft worden.

Dieses neue Buch 
macht auch Mut

Doch bei alledem: 10 Jahre Freiheit beschreibt nicht die Resignation einer jungen Frau. Im Gegenteil: Das Buch macht Mut.

Die besten Passagen aus dem Buch

Man muss kein Kampusch-Freund sein, aber ihr neues Buch geht unter die Haut. Es ist schonungslos, ­offen, emotional. Sie beschreibt die ersten Erlebnisse nach ihrer Befreiung vor genau zehn Jahren, am 23. August 2006.

Hier die stärksten Passagen über ihren ersten, nicht immer ganz einfachen Start in ein neues Leben:

Natascha ist frei und ­landet in der Psychiatrie

„Die Wahl für mein erstes neues Zuhause auf Zeit fiel auf das Allgemeine Krankenhaus Wien (AKH). Auf einer normalen Station konnte ich aus Sicherheitsgründen nicht aufgenommen werden. Also kam ich in die geschlossene Abteilung. Alle wollten einen Blick auf mich erhaschen. Dabei waren die Patienten auf der psychiatrischen Station noch die normalsten in dem ganzen Wahnsinn.“

Kampusch über ihr ­Verhältnis zu den Eltern

„Nach meiner Selbstbefreiung waren wir uns so fremd, dass man eigentlich nur befangen sein konnte. Auch wenn die Familie jetzt ihr Leben wieder lebt, so hat jeder einen schweren Schaden davongetragen. Inzwischen haben wir eine gute Ebene gefunden. Mit meiner Mutter backe und nähe ich regelmäßig oder gehe mir ihr zum Essen. Zwischen meinem Vater und mir haben sich die Wogen ebenfalls geglättet.“

Erste Gehversuche in der Disco – gescheitert

„Ich war in Clubs, weil ich Musik mag und gern tanze, aber ich musste feststellen, dass mir das nicht viel gibt. Dazu der Rauch und die ­stickige Luft und die Enge. ­Außerdem trinke ich keinen Alkohol und bin einfach nicht der Typ, der sich nächtelang in Clubs oder in Kneipen herumdrückt.“

Die ersten Kontakte
zu ihren Mitmenschen

„Ich konnte es nicht mehr ertragen, dass manche Leute mich so seltsam anstarrten. Dass Teenager über mich lachten, dass wieder andere mich tadelnd oder anzüglich musterten. Richtig schlimm wurde es, als dann die ganzen Ermittlungen wieder und wieder aufgerollt wurden, begleitet von übelsten Spekulationen. Dann spuckten manche Leute vor mir aus oder zischten mir im Vorbeigehen zu, dass ich mich schämen solle, was ich für eine Schlampe sei, aber das ist ja kein Wunder, bei so einer Familie. Meist gelingt es mir, mich von solchem Verhalten zu distanzieren, wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass es nicht wirklich um mich als Person geht, sondern um mich als Projektionsfläche.“

Post an Natascha: 
Heiratsanträge dabei

„Autogrammwünsche waren noch das Geringste, von Heiratsanträgen über Schauspielengagements bis zu Einladungen war alles dabei. Manche wollten mit mir reisen oder mir einen Urlaub ermöglichen. Andere wollten mit mir in das Haus des Entführers einziehen oder boten mir Arbeit in ihrem Haushalt an. Wenn ich gegen ein monatliches Kostgeld in Höhe von 57 Euro fleißig im Familienbetrieb mitarbeiten würde, werde man sich schon einigen können. Mütter schrieben mich im Namen ihrer Söhne an und versuchten, deren Vorzüge als künftige Partner hervorzuheben. Einige wollten mich adoptieren, andere teilten mir unverblümt mit, welche Rolle ich in ihrem Leben künftig zu spielen hätte. Das Dasein als Sklavin hätte ich ja bereits gelernt. Ich bekam anzüg­liche Fotos und moralische Belehrungen frei Haus geliefert.“

Ein Bussi wird zum
ersten Partyflirt

„Ich erinnere mich noch an einen Abend, an dem ich in die Wiener Passage ging. Wir tanzten und unterhielten uns, und als ich nach einer Weile gehen wollte, umarmte mich einer der jungen Männer und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Rein zufällig war auch ein Partyfotograf zugegen. Die Bilder tauchten ein paar Tage später in einer Zeitschrift auf: Natascha Kampusch hat einen Freund …“

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