ÖSTERREICH

Natascha Kampusch klagt Staat auf eine Million Euro

06.02.2008

Natascha hätte nach 47 Tagen frei sein können. Doch die Polizei murkste. Der Skandal sollte vertuscht werden. Jetzt eskaliert er.

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© APA-FOTO: MATTHIAS SILVERI
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"Für mich ist ganz klar: Mein Fall sollte unter den Tisch gekehrt werden“, sagt Natascha Kampusch zu den neuen Enthüllungen. Und: "Am eigenen Leib zu erleben, wie hier von Politikern Prioritäten gesetzt wurden, macht mich entsetzt und wütend.“

Auch ihr Anwalt, Gerald Ganzger, spricht von einem Skandal und will rechtliche Schritte einleiten. Ganzger: „Zuerst geht es um lückenlose Aufklärung, aber wir prüfen auch eine Amtshaftungsklage.“

Eine Million Entschädigung
Das kann die Republik teuer kommen, denn Ganzger will für Natascha Kampusch eine „Entschädigung für acht Jahre Leid und für Verdienstentgang“ erwirken. Mehrere Hunderttausend Euro wären möglich, Experten halten es aber für denkbar, dass die Entschädigungssumme bis zu einer Million Euro gehen könnte. Ein vergleichbarer Fall: Der Salzburger Peter H., der acht Jahre für einen Taximord saß, den er nie begangen hatte, bekam 850.000 Euro zugesprochen.

Polizeipanne
Das durch die Enthüllungen des Spitzenpolizisten Herwig Haidinger aufgetauchte Protokoll ist tatsächlich das Dokument einer unfassbaren Polizeipanne:

  • Am 4. April, vier Wochen nach der Entführung von Natascha Kampusch, stattet die Polizei Wolfgang Priklopil einen Besuch ab, weil der einen weißen Klein-Lkw besitzt. Priklopil hat für die Tatzeit kein Alibi – die Beamten glauben ihm aber.
  • Zehn Tage später kommt es zum Super-Gau der Exekutive: Am 14. April gibt ein Polizei-Hundeführer aus Strasshof – dem Ort, in dem Natascha Kampusch acht Jahre lang gefangen gehalten wurde – den Ermittlern des Wiener Sicherheitsbüros einen brandheißen Tipp (siehe rechts), der unzweifelhaft auf Wolfgang Priklopil hinweist.

Der Tipp wird protokolliert, abgelegt – und dann vergessen.

Was besonders mysteriös ist: Der Tippgeber wird als anonymer Anrufer geführt, obwohl er den Ermittlern namentlich bekannt und selbst Polizist (!) ist. Kampusch-Anwalt Ganzger: "Das kommt mir ganz merk- und aufklärungswürdig vor.“

Vertuscht
Als Natascha Kampusch sich im August 2008 befreien kann, fällt BKA-Chef Haidinger bei Durchsicht der Akten der Jahrhundertfehler auf.

Haidinger berichtet Innenministerin Liese Prokop und will den Fall aufarbeiten. Zu seinem Entsetzen wird er von der Ministerin gestoppt: Am 1. Oktober sind Wahlen – „und da können wir keinen Skandal brauchen“, lässt ihn Prokop wissen.

Natascha Kampusch ist damit zweifach betrogen – denn mit der Weigerung der Ministerin, den Skandal aufzuklären, war Kampusch fürs erste der Möglichkeit einer Amtshaftungsklage beraubt.

Das wird sich jetzt ändern. Prokop-Nachfolger Günther Platter hat eine hochkarätig besetzte Evaluierungskommission eingesetzt, die noch einmal alle Zeugen befragen soll.

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