715.000 sahen ihr TV-Interview - Wie Natascha Kampusch leidet.
Auch fast sechs Jahre nach ihrer Flucht bewegt der Fall Kampusch: 715.000 Österreicher erlebten am Montag mit, wie sich Natascha in ORF-Thema gegen neue Spekulationen wehrte (Schwangerschaft, Porno-Ring, Mittäter).
Der TV-Auftritt war eine Flucht nach vorne: „Es ist kräfteraubend. Ich frage mich, wie lange ich noch die Kapazität habe, das zu ertragen“, sagte Natascha zu Interviewer Christoph Feurstein. Der Journalist beschäftigt sich seit Kampuschs Verschwinden mit dem Fall: „Immer, wenn solche Wellen aufkommen, wird Natascha Kampusch sehr zurückgeworfen. Sie ist getroffen und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Sie wird auf der Straße attackiert und bespuckt, da hört es sich auf.“
Zurückgezogen
„Frau Kampusch schafft es nicht, den Weg von der Wohnung zur Lehrstelle zu bewältigen. Niemand weiß, wie es ihr geht, wenn sie alleine ist“, so Feurstein. „Sie gab das erste Interview im Glauben, dass die Menschen sich freuen würden, weil ihr die Flucht gelang. Jetzt ist die Stimmung gekippt, das hat sie verändert.“ Vertraute berichten, dass Natascha aufgrund der Anfeindungen kaum noch außer Haus gehe.
Die Resonanz auf den TV-Auftritt war groß: Internationale Medien berichteten, im ORF meldeten sich Hunderte Seher. Feurstein: „Es gibt zwei Lager. Aber die Spekulationen, die durch Fakten aus dem Weg zu räumen sind, machen einen rationalen Umgang mit dem Thema unmöglich.“
Auch die Justiz ist gespalten: Ex-OGH-Präsident Johann Rzeszut und andere pochen auf die Wiederaufnahme. Oberstaatsanwalt Werner Pleischl sagt: „Alle Beweise wurden durchgeführt.“ Nachsatz: Es gebe keine Hinweise auf weitere Täter. Ende März wird der geheime U-Ausschuss seinen Endbericht vorlegen. Er wird eine Wiederaufnahme empfehlen.
Staatsanwalt: "Es
gab keine Pannen"
ÖSTERREICH: Sie gerieten als Justiz-Verantwortlicher im Fall Kampusch unter Beschuss. Wurde vertuscht?
Werner Pleischl: Es wurde nichts vertuscht, alles ist dem Innenausschuss übermittelt worden. Es gab keine Pannen. Vonseiten der Staatsanwaltschaft sind alle Beweise durchgeführt worden.
ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie neue Spekulationen?
Pleischl: Ich beschäftige mich weder mit Spekulationen noch Theorien. Tatsache ist: Es gab keine Hinweise auf einen Mittäter – abgesehen von der zweiten Zeugin, die eingehend bewertet wurde.
ÖSTERREICH: Warum ging man der Aussage nicht nach?
Pleischl: Wie soll man dem nachgehen? Die Zeugin hat damals erschreckt reagiert und zwei Täter gesehen. Frau Kampusch hat über Jahre einen Täter gesehen. Ihre Version ist wahrscheinlicher.
ÖSTERREICH: Wurde Kampusch ausreichend befragt?
Pleischl: Ja.
ÖSTERREICH: Standen Sie jetzt selbst vor dem geheimen U-Ausschuss?
Pleischl: Nein, bislang nicht. Ich habe auch keine Ladung erhalten.
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„Ich kann die ewigen Artikel und Fernsehberichte über den Fall Kampusch nicht mehr ertragen. Jedes Mal denke ich mir: Wie geht Natascha Kampusch damit um, dass sie immer wieder mit denselben Fragen konfrontiert wird? Man sollte diese junge Frau, die derart viel erleiden musste, endlich in Ruhe lassen. Der Täter ist vor dem göttlichen Gericht gestanden und nach seiner Buße wird er seinen Frieden gefunden haben.“
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„Wenn sämtliche Hypothesen im Fall Kampusch einen wahren Kern hätten, dann wäre Natascha Kampusch sicherlich daran interessiert, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Der Fall wurde umfassend von der Justiz und der Polizei geprüft. Es gibt nichts mehr zu ermitteln und man sollte endlich den Deckel über diesem Fall zumachen.“
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„Ich bin der Meinung, dass man Natascha Kampusch endlich in Ruhe lassen sollte. Durch die neuen Verschwörungstheorien verlängert man nur ihr Leid. Ich gehe davon aus, dass von der Polizei das Bestmögliche unternommen wurde, um die Wahrheit zu finden. Ich plädiere dafür, dass Natascha Kampusch endlich das Recht und die Möglichkeit bekommt, in ein normales Leben zurückzukehren. Sie war acht Jahre in Gefangenschaft, aber ihre Opferrolle ist noch immer nicht zu Ende, weil der Fall noch immer nicht geschlossen ist.“
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„Wichtig wäre eine emotionsfreie Debatte, die sachlich erfolgt und mit kühlem Verstand – das ist aber nicht möglich. Alles muss auf den Tisch und der Fall muss neu aufgerollt werden. Aber es braucht ausländische Experten für die Aufklärung. Natascha macht sehr viel mit. Wenn sie in die Öffentlichkeit geht, heizt sie den Fall aber wieder neu an.“
© TZ "Oesterreich"
„Die Debatte wird in Österreich mittlerweile so emotional geführt, dass es besser wäre, wenn ausländische Experten den Fall Kampusch objektiv betrachten würden. Diese Lösung würde zu einer Beruhigung der Situation beitragen. Ich bezweifle, ob es günstig ist, dass Natascha jetzt ein TV-Interview gegeben hat.“
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„Es ist für viele Menschen unvorstellbar, dass es außer der öffentlichen Wahrheit noch eine andere Wahrheit geben kann.“
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„Natascha ist ein armes Mädchen, aber der Fall ist noch nicht gelöst.“