1.500 Bilder versteckt

Nazi-Kunst: Räuber ist Österreicher

04.11.2013

Weitere Schätze könnten in Salzburg versteckt sein.

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© Reuters, In dieser Münchener Wohnung lagerte der Milliarden-Schatz
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In der vermüllten Münchner Wohnung des 80-jährigen Cornelius Gurlitt stießen die Fahnder durch Zufall auf 1.500 Bilder von Picasso, Chagall, Matisse, Nolde, Kokoschka, Klee. Der größte Kunstfund aller Zeiten. Ein einzigartiger Schatz (ÖSTERREICH ­berichtete).

„Der Fund ist wichtiger als das Bernsteinzimmer“, sagt Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Wiener Albertina.
Wer aber ist der alte Mann, der die Bilder 70 Jahre lang zwischen Konservendosen und Saftflaschen hortete? Seit dem Auftauchen der Bilder ist er spurlos verschwunden, abgetaucht.

Cornelius Gurlitt ist Österreicher. Er besitzt einen österreichischen Pass, aber keine Meldeadresse. Sein Vater war Hildebrand Gurlitt, wichtigster „Kunsthändler“ im Dritten Reich. Von ihm hat er auch den Nazi-Kunstschatz geerbt. In München war Gurlitt nie gemeldet. Er besitzt auch keine deutsche Steuernummer, bezog keine Rente, keine Behörde kennt ihn. Ein Kunst- Phantom.

Sein Nachbar in Salzburg:
»Er hat sich verschanzt«
Eine heiße Spur führt nach Österreich, direkt in die Carl-Storch-Straße 9 in Salzburg. Ein kleines Haus gehört Cornelius Gurlitt, es wirkt heruntergekommen.
Der Garten ist zugewuchert, die Fensterbalken zu. „Das Haus besitzt er seit mehr als 50 Jahren“, erzählt Nachbar Helmut Ludescher im Gespräch mit ÖSTERREICH. Bis vor zwei Jahren sei der „mürrische alte Mann“ aus München zumindest einige Male nach Salzburg gekommen: „Mit einem alten VW-Käfer.“ Gesprochen habe er aber mit keinem seiner Nachbarn.

Auch hatte er nie Besuche. Er schottete sich ab. „Wenn er da war, hat er sich im Haus verschanzt, so als hätte er etwas zu verbergen“, so Ludescher. In der Salzburger Kunstszene findet sich keine konkrete Spur von dem Kunst-Räuber: „Nie von ihm gehört“, sagt Helga Rabl-Stadler, Festspielpräsidentin zu ÖSTERREICH.

Welches Geheimnis verbirgt sich hinter Mauern?
Deutsche Fahnder glauben, dass Gurlitt auch in Österreich Kunstverstecke hatte. Die Polizei war zwar vorm Geisterhaus in Salzburg, öffnete es aber nicht. „Wir haben kein Rechtshilfeersuchen aus München“, sagt Polizeisprecher Mario Hejl.

Albertina-Chef: "Familie hat mit dem Teufel gedealt"

ÖSTERREICH: Wie bewerten Sie den Fund des Nazi-Kunstschatzes?
Klaus Albrecht Schröder: Das ist eine Sensation. Als hätte man das Bernsteinzimmer gefunden. Die Familie Gurlitt hat in den vergangenen Jahrzehnten den besten Klang in Österreich gehabt. Wir haben ihnen geglaubt. Sie erzählten ja stets, ihre Kunstsammlung sei im Krieg in Dresden verbrannt. Jetzt wissen wir, dass sie uns über Jahrzehnte belogen ­haben.

ÖSTERREICH: Wissen Sie, ob Cornelius Gurlitt auch in Österreich verkauft hat?
Schröder: Es ist hinlänglich bekannt, dass viele Werke „entarteter Kunst“ im Museum in Linz gelandet sind. Hildebrand Gurlitt, Vater von Cornelius Gurlitt, war ja einer der vier wichtigsten Händler „entarteter Kunst“. Die Familie Gurlitt galt ja selbst als von den ­Nazis verfolgt – es war aber nicht so, sie haben mit dem Teufel gedealt, mit bestem Einvernehmen.

ÖSTERREICH: Wurden Ihnen durch Cornelius Gurlitt Werke angeboten?
Schröder: Nein, ich kenne ihn auch nicht persönlich. Klar ist aber, dass solche Bilder in den vergangenen Jahren ausschließlich über sogenannte private sales veräußert wurden. Rund ein Drittel des Kunstmarktes machen inzwischen diese Privatverkäufe aus.

Vater enteignete jüdische Sammler

Jahrzehntelang raffte sein Vater Kunstschätze zusammen und log über deren Verbleib.
Picasso, Matisse, Chagall, Klee – Hunderte Werke von modernen Großmeistern lagerten jahrzehntelang unentdeckt in einer Münchner Wohnung. Legal kamen sie nicht in den Besitz von Cornelius Gurlitt (80). Die Hintergründe:

  • Der Täter stammt aus einer Kunsthändlerfamilie. Besonders umtriebig war dabei sein Vater Hildebrand. Er wurde nach mehreren Jahren als einfacher Galerist unter den Nationalsozialisten zu einem der wichtigsten Kunstkäufer des Regimes und Chefeinkäufer für das von Adolf Hitler geplante „Führermuseum“ in Linz.
  • Mehr als zehn Jahre lang kaufte Hildebrand Gurlitt in der Folge in Deutschland und den von Nazis besetzten Ländern Gemälde, Zeichnungen und Grafiken im großen Stil auf. Dutzende jüdische Sammler zwang er zum Verkauf, sogenannte „entartete Kunst“ konnte gar ohne Entschädigung von Gurlitt einfach eingezogen werden.
  • Nach dem Krieg erklärte der Kunsthändler: Seine ganze Sammlung sei während der Luftangriffe auf Dresden in Flammen aufgegangen und nicht mehr existent. Eine Lüge, wie sich jetzt herausstellte.
  • Denn: Sein Sohn Cornelius, heute 80, hat den Großteil der Werke in seiner Wohnung gelagert und von den Verkäufen gelebt.

Stadt Linz kauft viele umstrittene Nazi-Bilder

Der Onkel von Cornelius Gurlitt lebte in Österreich und verkaufte Werke ans Lentos.
Gefährliches Geschäft mit umstrittenen Kunstwerken: Schon wenige Monate nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Stadt Linz von Wolfgang Gurlitt (Bruder von Hitlers Chefeinkäufer Hildebrand und Onkel von Cornelius) mehr als 100 Kunstwerke als Leihgabe und kaufte sie 1953. „Schon damals gab es Bedenken über die Herkunft der Bilder“, erklärt Lentos-Chefin Stella Rollig. 1999 begann das Museum mit der Aufarbeitung, insgesamt neun geraubte Bilder sind inzwischen restituiert worden.

Dana Müllejans, Karl Wendl

 

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