Frau bedroht
Neue Vorwürfe gegen Kremser Todesschütze
19.02.2010
Der Richter will den angeklagten Beamten umfassend "beleuchten".
Jener Polizist, der in der Nacht auf den 5. August 2009 in einem Kremser Supermarkt einen 14-jährigen Einbrecher erschossen hat, soll einige Zeit vorher seine Dienstwaffe für einen privaten Einschüchterungsversuch genützt haben. Das besagen zumindest seit längerem kursierende Gerüchte, denen nun das Landesgericht Korneuburg von Amts wegen nachgehen will: Richter Manfred Hohenecker, vor dem sich der Beamte ab 10. März wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen zu verantworten hat, hat die Beischaffung des polizeiinternen Personalakts veranlasst.
Damit will der Richter noch vor der Verhandlung klarstellen, ob der Polizist, der unter Kollegen den Spitznamen "Rambo" tragen soll, tatsächlich - wie gemunkelt wird - mit seiner Dienstwaffe eine Frau bedroht hat und das polizeiinterne Erhebungen zur Folge hatte. Rainer Rienmüller, der Verteidiger des Beamten, war am Freitag trotz mehrmaliger Versuche telefonisch nicht erreichbar.
Breites Bild
Dass der auf zwei Tage anberaumte Prozess
gegen den Polizisten ein möglichst breites Bild des Angeklagten liefern
soll, ist bereits jetzt klar. So wird der Richter die Schießausbildung des
43-Jährigen hinterfragen, indem er die Polizei aufgefordert hat, bis zur
Hauptverhandlung bekanntzugeben, welche Seminare dieser bei welchen
konkreten Ausbildnern besucht hat und welche Kenntnisse er zum Zeitpunkt der
tödlichen Schussabgabe in technischer und rechtlicher Hinsicht im
Waffengebrauch hatte. Ganz speziell interessiert den Richter, ob der Beamte
den Waffengebrauch bei schlechten Lichtverhältnissen trainiert hat.
Weiterer Gutachter
Außerdem hat Hohenecker einen weiteren
Gutachter beigezogen, der sich mit der Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit des
43-Jährigen auseinandersetzen soll. Der Polizist hatte mit seinen Angaben
zum Tathergang insofern für Verwirrung gesorgt, als er bei der nächtlichen
Tatrekonstruktion zunächst erklärte, im Knien aus einer Entfernung von vier
bis fünf Meter auf die Beine des 14-Jährigen gezielt zu haben.
Ballistik widerspricht
Wie der Ballistiker Ingo Wieser jedoch
feststellte, steht diese Aussage "in Widerspruch zu objektiv
festgestellten Spuren", wie es in seinem Gutachten wörtlich heißt. Der
Schuss fiel demnach im Stehen aus 1,8 bis zwei Meter, wobei der Jugendliche
im Rücken getroffen wurde.
Der Polizist relativierte in einer weiteren Einvernahme vor der zuständigen Staatsanwältin seine ursprüngliche Schilderung insofern, als er angab, er habe während des Hinkniens ein Geräusch von rechts vernommen und sich in diese Richtung gedreht, als der Schuss brach. Er könne nicht mehr sagen, ob er gestanden sei, als er abdrückte.
Post-Shooting-Symptome
Nun soll der Psychologe Roland Bugram
feststellen, ob sich die unterschiedlichen Angaben mit einer
posttraumatischen Stressreaktion erklären lassen. Bugram gilt als Fachmann
für Post-Shooting-Symptome. Er wurde mit der Erstellung einer Expertise "über
die Auswirkungen einer Belastungsstörung nach Schussabgabe auf die
Wahrnehmungs- und Aussagefähigkeit" beauftragt, wie dem Auftrag
zur Gutachtens-Erstattung zu entnehmen ist.
Der Prozess, in dem dem Beamten laut Strafantrag vorgeworfen wird, in "Furcht oder Schrecken" in Abwehr "eines zumindest irrtümlich angenommenen Angriffs" auf seine Person "das gerechtfertigte Maß der Verteidigung" überschritten zu haben, soll am 12. März zu Ende gehen. Verhandelt soll an beiden Prozess-Tagen jeweils bis 17.00 Uhr werden. Dem Beamten drohen im Fall eines Schuldspruchs bis zu drei Jahre Haft.