Giftprozess in Krems
20 Jahre Haft für Helmut O.
20.05.2008
56-Jähriger von Geschworenen des versuchten Mordes einstimmig schuldig gesprochen - Urteil nicht rechtskräftig.
Mit einem einstimmigen Schuldspruch ist am Mittwoch knapp nach Mitternacht im Landesgericht Krems der Prozess gegen den Heurigenbesitzer Helmut O. zu Ende gegangen. Der 56-Jährige wurde wegen versuchten Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er nach Ansicht der Geschworenen den Spitzer Bürgermeister Hannes Hirtzberger mit einem mit Strychnin versetzten "Mon Cheri" vergiftet hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidiger Nikolaus Rast kündigte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, Staatsanwalt Friedrich Kutschera will ebenfalls berufen.
Lange Beratung
Sechs Stunden hatten die acht Laienrichter über
die Frage beraten, ob Helmut O. jener zunächst Unbekannte war, der am Abend
des 8. April 2008 die mit einer mehrfach tödlichen Dosis Strychnin
präparierte Praline unter Beilage einer Glückwunschkarte hinter den
Scheibenwischer am PKW des beliebten Spitzer Ortsvorstehers steckte.
Hirtzberger verzehrte das Naschwerk am nächsten Morgen, auf der Fahrt in
seine Kremser Kanzlei wurde ihm plötzlich schlecht. Er konnte noch anhalten
und Passantinnen sinngemäß zurufen, diese sollten einen Arzt verständigen,
er habe ein "Mon Cheri" gegessen und sei vergiftet worden. Danach
verlor er das Bewusstsein, erlitt einen Herzstillstand, konnte aber
reanimiert werden.
Folgenschweres Attentat
Doch Hirtzberger wird bis an sein
Lebensende ein Pflegefall bleiben, wie Gerichtsmediziner Christian Reiter in
seinem Gutachten erläuterte: "Es ist zweifellos von schweren
Dauerfolgen auszugehen." In Folge der Vergiftung wären "schwere,
irreparable Schäden des Gehirngewebes" aufgetreten: "Es ist
mit einer lebenslangen Behinderung zu rechnen." Nach Darstellung der
Ehefrau des Opfers, Renate Hirtzberger, befindet sich ihr Mann, der derzeit
im Klinikum St. Pölten behandelt wird, in einer Art Wachkoma. Es gehe ihm "sehr
schlecht".
O. fühlt sich unschuldig
Helmut O. hatte stets bestritten,
mit dem heimtückischen Giftanschlag etwas zu tun zu haben. Das beteuerte er
ein weiteres Mal nach der Urteilsverkündung. Auf die Frage der vorsitzenden
Richterin, Ingeborg Kristen, ob er das Urteil verstanden habe, bemerkte er
sichtlich mitgenommen: "Ich hab's wohl verstanden, versteh's aber
trotzdem nicht! Ich habe den Hannes nicht vergiftet! Ich nehme das Urteil
nicht an!" Verteidiger Nikolaus Rast meldete unverzüglich
Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
"Kommissar DNA"
Ausschlag gebend für den Schuldspruch
dürften vor allem die Zeugenaussagen der Söhne des 56-Jährigen und ein
DNA-Gutachten gewesen sein, das den Angeklagten massiv belastete: Sein
genetischer Fingerabdruck war auf der Innenseite des dem Mon Cheri
beigelegten Billetts gefunden worden, wofür der Wirt keine plausible
Erklärung bieten konnte. Darüber hinaus förderten seine Söhne zu Tage, dass
ihr Vater sie gebeten hatte, in ein Marmeladeglas zu spucken, um mit ihrem
Speichel die DNA-Probe zu verfälschen, um die ihn die Polizei Mitte Februar
ersucht hatte: Als feststand, dass am Billett eine männliche DNA haften
geblieben war, ging die Polizei mit dieser Information an die Öffentlichkeit
und teilte mit, dass sie aus dem Kreis der Verdächtigen, zu denen Helmut O.
von Anfang an zählte, nun mehr als ein Dutzend Personen um einen
biologischen Fingerabdruck bitten werde.
Motiv
Als Motiv für den Mordversuch hatte Staatsanwalt Friedrich
Kutschera die sich hinschleppenden Umwidmung für den "Klosterhof"
samt angeschlossenen Grundbesitz des Angeklagten ins Treffen geführt. Helmut
O. wollte seinen Besitz als Bauland gewidmet bekommen, um ihn verkaufen bzw.
einem Hotel-Projekt zuführen zu können. Bürgermeister Hirtzberger soll dem
zwar grundsätzlich nicht im Wege gestanden sein, aber unabdingbare
Voraussetzungen - etwa die Vorlage eines Businessplanes oder die Zusage von
Fördermitteln des Landes Niederösterreich - eingefordert haben, die O. nicht
beibringen konnte oder wollte. Für diese Verzögerung habe O. den
Bürgermeister verantwortlich gemacht, so der Anklagevertreter.
Schadenersatz
Das Gericht verurteilte den 56-Jährigen auch zur
Zahlung eines symbolischen Schadenersatzes an den Bürgermeister. Bei der
Strafbemessung waren grundsätzlich die bisherige Unbescholtenheit des Mannes
sowie der Umstand mildernd, "dass es beim Versuch geblieben ist",
wie die Vorsitzende formulierte. Erschwerend waren demgegenüber die
Heimtücke. Außerdem sei der "körperlich ausgesprochen
schlechte Zustand" von Hannes Hirtzberger bei der Strafbemessung zu
berücksichtigen gewesen, sagte Kristen.