Hilfe verboten
A22-Unfall: Schwere Vorwürfe von Soldaten
26.01.2009
Nach der tödlichen Massenkarambolage auf der A22 am Donnerstag behaupten nun Grundwehrdiener, die Hilfeleistung sei ihnen untersagt worden.
Die Vorwürfe der Grundwehrdiener gegen ihre vorgesetzten wiegen schwer: Demnach hätten sie bei einer Übung Nebelgranaten gezündet. Der Rauch der Granaten, sei direkt auf die Autobahn zugetrieben, sagen sie. Obwohl der Horrorunfall bemerkt worden war, sei die Übung nicht abgebrochen worden, sagte ein Grundwehrdiener gegenüber den Zeitungen. Die Vorgesetzten hätten angeordnet, noch mehr Nebelgranaten zu zünden.
Hilfe untersagt
Zudem hätten sie den Grundwehrdienern verboten,
den Unfallopfern zu helfen. In der Kaserne seien sie zusätzlich
eingeschüchtert worden.
Granatenreste gefunden
Unmittelbar nach dem verheerenden Unfall
hatten Ermittler Granatenreste gefunden. Von Seiten des Bundesheeres heißt
es dazu, man glaube nicht, dass die Rauchentwicklung etwas mit der
Bundesheerübung zu tun habe. Einerseits sei der Wind in eine andere Richtung
gegangen, außerdem würden sich diese Rauchschwaden nach etwa 50 Meter
auflösen und das Übungsgelände sei viel weiter vom Unfallort entfernt.
Massenbefragungen
Laut einem Sprecher des Militärkommandos NÖ
hat eine eigene Bundesheer-Untersuchungskommission am Montagfrüh in
Wien-Stammersdorf ihre Arbeit aufgenommen. Am Montag wurden etwa 70 Personen
befragt, die an der Nachtlehrvorführung am Donnerstagabend teilgenommen
hatten.
Das Gelände, auf dem den Rekruten die Wirkung von Signalmitteln und Nebelhandgranaten erläutert werde, befindet sich 260 Meter von der Unfallstelle auf der A22 entfernt. Untersucht werde unter anderem, ob die Sicherheitsbestimmungen eingehalten wurden.
Schutz der Rekruten?
Zu den bekanntgewordenen Vorwürfen von
Rekruten, sie hätten am Unfallort nicht helfen dürfen, sagte ein Oberst, der
Übungsleiter habe festgestellt, dass bereits genügend Einsatzfahrzeuge
angerückt waren. Zum Schutz der Rekruten, die erst in ihrer zweiten
Ausbildungswoche standen, wäre ein Hilfseinsatz auf der Autobahn
unverantwortlich gewesen.
Darabos droht
Verteidigungsminister Norbert Darabos erklärte die
Untersuchung des Vorfalls am Montag zur "Chefsache". "Über
den Fortlauf der Untersuchungen lasse ich mir stündlich berichten. Sollte
schuldhaftes Verhalten vorliegen, wird es harte Konsequenzen geben".
Im Interview mit ÖSTERREICH erhebt Augenzeuge Reinhard S. (Name v. d. Redaktion geändert) schwere Vorwürfe ÖSTERREICH: Wie haben Sie den Unfall auf der Autobahn erlebt? Reinhard S. (19): Wir hörten einen Knall und wussten, da ist was Grobes passiert. ÖSTERREICH: Wie nahe waren Sie dem Crash? Reinhard S.: Die Autos brannten vielleicht 100 Meter von uns entfernt. ÖSTERREICH: Ein Teil Ihrer Kollegen sind Medizinstudenten, die ganze Truppe hat einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Hätten Sie nicht sofort helfen können? Reinhard S.: Wir wollten ja, aber unsere Ausbilder haben uns zurückgehalten. Wir mussten dem Drama tatenlos zuschauen. Es waren sogar einige Ärzte anwesend, die haben aber aus irgendwelchen Gründen auch nicht eingegriffen. ÖSTERREICH: Aber die ganze Truppe ist doch speziell dafür ausgebildet. Reinhard S.: Ja, aber unser Oberstabswachtmeister hat es ausdrücklich verboten. Warum er diesen Befehl gegeben hat, weiß ich nicht. ÖSTERREICH: Als Sie wieder zurück in der Kaserne waren, wie ging es da weiter? Reinhard S: Wir mussten antreten und wurden von unseren Ausbildern zum Schweigen vergattert und mit Strafen bedroht. Der Oberstabswachtmeister sagte: „Nur ein Trottel geht mit so etwas an die Öffentlichkeit.“ ÖSTERREICH: Warum haben Sie ÖSTERREICH angerufen? Reinhard S: Das Verhalten unser Ausbilder ist nicht tolerierbar, menschenverachtend und gehört abgestellt. Solche Typen haben beim Heer nichts verloren. Meine Grundwehrdiener-Kollegen und ich möchten auf diesem Weg der Familie der Toten unser tiefstes Beileid aussprechen. |
Identität weiter offen
Nach wie vor ist unklar, wer die
umgekommene Lenkerin ist. Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass es sich
um eine etwa 30-jährige Frau aus Tschechien handelt, heißt es aus der
Staatsanwaltschaft Korneuburg. Die Leiche wird am Mittwoch obduziert. Die
Frau war in ihrem Fahrzeug eingeklemmt worden und verbrannt.
Verdacht auf fahrlässige Tötung
Die Wracks werden
weiter von der Kriminaltechnik untersucht, und zahlreiche Angehörige des
Bundesheeres werden einvernommen. Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen
wegen des Verdachts auf fahrlässiger Tötung und fahrlässiger
Körperverletzung.