Am 2. Prozesstag werden Zeugen, unter anderem die Sozialarbeiterin, welche die Rettung verständigt hatte, befragt.
Am zweiten Tag des wohl schlimmsten Kindermisshandlungsprozesses Österreichs stehen Zeugen und medizinische Aspekte im Fokus am Landesgericht in Krems.
Die Mutter (33) des 12-Jährigen hatte ihren Sohn über Monate hinweg gequält, ihn unter anderem stundenlang in eine Hundebox gesperrt und mit kaltem Wasser übergossen. Ihre Komplizin (40) soll sie bei ihren Taten motiviert und angeleitet haben.
Zu Wort kam auch die Sozialarbeiterin, die dafür gesorgt hatte, dass das bereits komatöse Kind ins Spital gebracht wurde und somit überlebte. Sie hatte die Mutter des Kindes zuvor im Rahmen der ambulanten Elternberatung betreut, danach wurde der Kontakt aufrecht erhalten.
"Es war klar, dass er Hilfe braucht"
Das Telefongespräch, das die Sozialarbeiterin mit der mutmaßlichen Komplizin der Mutter am 22. November 2022 geführt hatte, wird sie wohl nicht so schnell vergessen. Das Gespräch sei wirr und komisch gewesen. Am Telefon hatte ihr die 40-Jährige davon berichtet, dass sie ein Video geschickt bekommen hätte, auf dem der Bub "in einem bedenklichem Zustand" gewesen wäre. Dabei sei die Anruferin auch nervös gewesen.
Die Sozialarbeiterin entschied sich deshalb mit der 40-Jährigen zur der Wohnung zu fahren. Die Situation vor Ort beschrieb sie vor Gericht "einfach nur surreal und skurril." "Ich bin sehr erschrocken", gab sie zu Protokoll. Der Bub sei nicht ansprechbar gewesen und auf dem Boden gelegen. "Es war definitiv klar, dass er Hilfe braucht." Nach mehrmaligem Fordern der Sozialarbeiterin - zuletzt "laut und scharf" - verständigte die Mutter die Rettung. "Mechanisch", so "als würde sie eine Pizza bestellen". Ein Hauptthema im Kopf der Erstangeklagten sei dann gewesen, ob der Zustand des Kindes "auf sie zurückfallen" könnte, schilderte die Sozialarbeiterin. "Mehr war nicht. Es war keine Emotionalität." Dank habe sie von der Mutter nicht bekommen: "Ich hatte eher den Eindruck, dass sie ang'fressen war."
Laut Kinderarzt war Zustand des Kindes prekär
Kinderarzt Hans Salzer, der den Buben auf Antrag der Staatsanwaltschaft Krems nach der Einlieferung ins Krankenhaus im November 2022 untersucht hatte, berichtete von einem vor allem anfangs sehr prekären Gesundheitszustand. Derzeit gehe es dem Buben aber körperlich wieder gut. Bereits am Montag sah eine Gutachterin beim nun 13-Jährigen die "Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird". Vorliegend sei eine posttraumatische Belastungsstörung.
"Zwei Frauen haben ein Kind beinahe - Gott sei Dank nur beinahe - zu Tode gequält", hatte die Staatsanwältin in ihrem Anfangsplädoyer zu dem Fall gesagt. Die 33-jährige Alleinerzieherin soll ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Zudem ließ sie das Kind hungern und überschüttete es mit Wasser, wobei sie oft auch die Fenster aufriss.
Festgenommen wurde die Frau zwei Tage nach der Befreiung des Kindes am 24. November 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Sie und die Kindesmutter waren über Jahre hinweg sozusagen beste Freundinnen. Die Waldviertlerin soll der Erstangeklagten darüber hinaus wiederholt Anweisungen zur Bestrafung des Kindes gegeben haben, was von der 40-Jährigen freilich zum Großteil bestritten wurde.
Zugespitzt hat sich die Sachlage dann rund um den 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Die Mutter dürfte den damals Zwölfjährigen bei geöffneten Fenstern mit kaltem Wasser übergossen haben. Die Körpertemperatur des abgemagerten Burschen senkte sich auf 26,8 Grad ab, für das Alarmieren der Rettung sorgte die Sozialarbeiterin. Das Kind wurde in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt.
Weitere Anklagepunkte in Bezug auf die Mutter des Buben sind Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie Freiheitsentziehung. Für die 33-Jährige wurde außerdem seitens der Staatsanwaltschaft Krems so wie für die Zweitangeklagte die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Die Mutter bestritt den Vorwurf des versuchten Mordes, war aber zu den beiden weiteren Punkten geständig. Die Zweitangeklagte bekannte sich schuldig, schränkte diese Verantwortung aber danach bei ihrer Befragung am Montag stark ein.
Bub in Hundebox: Mutter: "Ich wollte, dass er macht, was ich ihm sage"
Die Mutter könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Die Strafdrohung für die 40-Jährige wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt nach einer Ausdehnung der Anklage aufgrund schwerer Dauerfolgen bei dem Buben nun bis zu 15 Jahre. Urteile sind für Donnerstag geplant.