Vorsatzdelikt

Fall Krems - Wird Polizist angeklagt?

13.10.2009

Gegen die beiden Polizisten wird offiziell wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

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Im Fall des von der Polizei in einem Kremser Supermarkt erschossenen mutmaßlichen Einbrechers wird gegen die beiden Beamten - eine Frau und ein Mann - offiziell wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ermittelt. Die schriftlichen Sachverständigen-Gutachten haben nicht nur Zweifel an der von den Beamten behaupteten Notwehr-Version bzw. am gerechtfertigten Waffengebrauch verstärkt. Offen ist auch, ob vor allem dem Schützen überhaupt Fahrlässigkeit zuzubilligen ist. Das räumte der Leiter der mit der Causa befassten Staatsanwaltschaft Korneuburg, Karl Schober, am Dienstag ein.

Vorsatzdelikt?
Auf die Frage, ob am Ende der Ermittlungen gegen den Polizisten, der den tödlichen Schuss auf den 14-jährigen Florian P. abgegeben hat, Anklage wegen eines Vorsatzdelikts erhoben werden könnte, meinte Schober: "Grundsätzlich ist aus heutiger Sicht eine rechtliche Würdigung in alle Richtungen möglich."

Die Wiener Stadtzeitung "Falter" verfügt über die Einvernahmeprotokolle mit den beiden Beamten, gegen die wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ermittelt wird. Demnach fühlte sich die Polizistin "existenziell" bedroht, als sie den Jugendlichen gegenüberstand, wie der "Falter" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Der Polizist, der Florian P. erschoss, will befürchtet haben, vom 14-Jährigen angegriffen zu werden.

Polizistin sah "Aggression" im Blick von Florian P.
"Ich sah Entschlossenheit, Aggression, Zorn, Ernst. Den Ausdruck der Augen vergesse ich nicht", gab die Frau zu Protokoll, die seit 14 Jahren bei der Polizei tätig ist. Sie habe daher von ihrer Dienstwaffe Gebrauch gemacht. Die Beamtin schoss dem 17 Jahre alten Roland T., der mit seinem jüngeren Freund in den Supermarkt eingedrungen war, aus einer Entfernung von sieben Metern in die Oberschenkel.

Schon zuvor hatte ihr Kollege die Waffe gezückt und einen Warnschuss abgegeben, weil seinen Angaben zufolge "das Bedrohungsgebiet da war".

Der Polizist folgte dann dem flüchtenden 14-Jährigen von einem dunklen Gang in den hell erleuchteten Verkaufsraum des Supermarkts, wo er Florian P. zwischen Paletten stellte und auf diesen schoss. Der 14-Jährige wurde im Rücken getroffen und starb an den Folgen eines Lungendurchschusses.

"Die Schussabgabe war aufgrund des Angriffs, der befürchtet war, beziehungsweise zur Erzwingung der Festnahme, also nie, dass der Täter auf der Flucht war, also das möchte ich schon betonen. Es ist alles relativ schnell gegangen. Es war nicht mehr aufzuhalten", zitiert der "Falter" aus der Einvernahme des Schützen.

Roland T. versicherte demgegenüber den Kriminalisten, es habe keinen Angriff auf die Polizisten gegeben. "Wir sprangen auf und liefen davon", zitiert der "Falter" den 17-Jährigen. Den Schraubenzieher, mit dem er nach Angaben der Polizisten auf diese losgehen wollte, habe er bei der Begegnung mit den Uniformierten ebenso eingesteckt gehabt wie Florian P. eine Gartenharke.

Roland hatte Schraubenzieher dabei
Wie die Wochenzeitung berichtet, habe Roland T. den Schraubenzieher mit gehabt, um damit den Tresor des Supermarkts aufzubrechen. Der 17-Jährige habe bei dem Einbruch von einer Beute von 100.000 Euro geträumt und damit mit seiner Freundin ein neues Leben beginnen wollen.

Anklage wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge möglich
Sollte die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Untersuchungen zum Schluss kommen, dass der Verantwortung der beiden Beamten nicht zu folgen ist, die den Waffengebrauch mit einer angeblichen Gefahrenlage rechtfertigen, wäre es demnach denkbar, dass der Polizist zumindest wegen schwerer Körperverletzung mit tödlichen Ausgang (Strafrahmen: Ein bis zehn Jahre) oder absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (Strafrahmen: Fünf bis zehn Jahre) zur Verantwortung gezogen wird. Dieser Möglichkeit widersprach Schober - konkret darauf angesprochen - nicht.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft betonte allerdings, in dieser Sache wären die Ermittlungen noch im Gange und daher vorzeitige Spekulationen unangebracht. So fehlt noch der Abschlussbericht der Kriminalisten vom Landespolizeikommando Oberösterreich, die zuletzt auch die Sanitäter vernommen hatten, von denen der tödlich getroffene Florian P. erstversorgt und ins Spital gebracht worden war. Zudem sollen die Ermittler die nunmehr schriftlich vorliegenden Erkenntnisse des Schießsachverständigen und des Gerichtsmediziners in ihren Bericht einfließen lassen.

Eine vorläufige Suspendierung der beiden Beamten für die Polizei nach wie vor kein Thema. "Das wäre gesetzlich gar nicht möglich. Es gibt auch keinen Handlungsbedarf", erklärte Oberstleutnant Roland Scherscher vom Landespolizeikommando Niederösterreich Dienstagmittag auf Anfrage der APA.

Endbericht in wenigen Tagen
Der Endbericht wird Ende dieser oder spätestens Anfang der kommenden Woche der Anklagebehörde zur Verfügung stehen. Unmittelbar danach will die Staatsanwaltschaft noch einmal den Todesschützen befragen, dessen bisherige Schilderung des Tatablaufs eindeutig und in mehreren Punkten den Feststellungen der Sachverständigen widerspricht.

Wie Schober durchblicken ließ, sollte es nach der neuerlichen Vernehmung des Polizisten nicht mehr lange dauern, bis die zuständige Staatsanwältin ihren Vorhabensbericht fertiggestellt haben wird, in dem sie entweder die Einstellung des gegen die Beamten gerichteten Verfahrens oder eine Anklageerhebung vorschlagen muss. In letzterem Fall würde der Vorhabensbericht bereits den konkreten Entwurf des Strafantrags beinhalten, der dann von der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu prüfen und letztlich vom Justizministerium zu genehmigen wäre.

Dieses Genehmigungsverfahren nimmt besonders in heiklen Fällen einige Zeit in Anspruch, was vor allem an der zuständigen Abteilung im Ministerium liegen dürfte. So haben einige medienträchtige Verfahren längst die Oberstaatsanwaltschaft passiert und harren nun teilweise seit mehreren Monaten im Justizministerium der Erledigung.

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