ÖSTERREICH-Exklusiv
Frau in NÖ verhungert
08.11.2007
ÖSTERREICH-Exklusiv: Das Martyrium einer arbeitslosen Magersüchtigen zeigt, wie leicht man in Österreich durch alle sozialen Netze fallen kann.
„In Österreich kann man doch nicht einfach unversichert sein“, entfuhr es einem Kripo-Beamten am Montag bei der Einvernahme des Schlossers Michael Straintz. Doch dessen Freundin Claudia J. konnte. Und sie ist daran gestorben.
Freilich nicht offiziell: Die 36-Jährige litt unter Magersucht. Seit Jahren aß und trank sie kaum. Sie klagte über Gelenksschmerzen, auch psychisch war die Frau stark angeschlagen. Hinzu kam zuletzt hohes Fieber. Montag früh konnte sie nicht mehr: Claudia J. starb im Schlaf. An einem Herzstillstand, bedingt durch Nahrungs- und Wassermangel.
Wegen des Verdachts auf unterlassene Hilfe wurde der Freund der Verstorbenen verhört. Der 46-Jährige beschrieb den Polizisten die erschreckende soziale Zwickmühle, in der Claudia J. gefangen war.
Unversichert
„Claudia hat nie viel gegessen, doch in letzter Zeit
wurde es extrem“, erzählt Straintz im ÖSTERREICH-Gespräch. Warum ging sie
nicht einfach zum Arzt? Straintz schweigt erst verlegen. Dann packt ihn die
Wut: „Sie konnte nicht, weil sie nicht versichert war“, sprudelt es aus ihm
hervor. „Ich wollte sie ja hinbringen und den Doktor bezahlen. Aber sie hat
sich dagegen gewehrt.“ Aus Scham und Geldnot.
Spitalsbesuch
Denn: Claudia J. hatte seit Jahren keinen Job.
„2005 war sie zuletzt beim AMS, doch man weigerte sich, sie als arbeitslos
anzumelden“, erklärt ihr Lebensgefährte. Fatale Folge: Die Kranke war nicht
versichert und bekam das auch zu spüren. Zweimal war sie monatelang im
Spital. Die Rechnung konnte sie nicht zahlen. Das Gericht versuchte sie zu
pfänden – doch Claudia bekam ja nicht einmal Arbeitslosengeld.
Keine Sozialhilfe
Gottfried Riedl vom AMS: „Die Voraussetzungen
für einen Versicherungsanspruch sind gesetzlich geregelt. Besteht dieser
nicht, gibt es keine Versicherung.“ In so einem Fall sei das Sozialamt am
Zug. „Die Frau ist uns nicht bekannt, sie selbst hat keine Hilfe beantragt“,
erklärt eine Verantwortliche der Bezirkshauptmannschaft: „Wir können
Sozialfälle nur betreuen, wenn sie uns gemeldet werden.“ Claudia selbst
meldete sich nicht. „Sie wollte nicht als Sozialschmarotzerin dastehen“,
sagt ihr Freund.
Auch Ärzte und das AMS blieben stumm. So konnte eine Kranke mitten in Österreich verhungern.
F. Lems, K. Nagele