ÖSTERREICH-Interview
"Ich bin gebrandmarkt"
09.06.2009
U-Haft in Wr. Neustadt, Haft in Graz-Karlau, wieder U-Haft in Wr. Neustadt. „Zelle ist Zelle“, sagt Justizopfer Franz Ambrosi bei seinem ersten Kaffee in Freiheit zu ÖSTERREICH.
ÖSTERREICH: Wie marschiert man als freier Mann aus einem Gefängnis?
Franz
Ambrosi: Es kam alles so überraschend. Meine Schwester hat mich heute in der
Früh angerufen und gesagt: „Du kannst heimgehen.“ Aber erst, als einer der
Wärter das Zellenfenster aufgemacht und gesagt hat: „Pack dich zamm, geh’
heim“, hab ich gewusst, ich komme von dort raus.
711 Tage unschuldig im Gefängnis. Was macht das aus einem Menschen?
In
der Haft verändert man sich. Es verändert sich alles. Aber wenn man
unschuldig dort ist, dann versteht man es einfach nicht. Man begreift es
nicht. Ich konnte mich immer nur fragen: „Was soll ich denn bitte noch tun?
Was soll ich euch noch beweisen?“ Und es gab eine Zeit, da hatte ich mich
aufgegeben.
Wer oder was hat Ihnen geholfen, durchzuhalten?
Meine kleine
Löwin. Das ist meine Schwester Monika. Natürlich auch mein Glaube und alle
Freunde, die zu mir gehalten haben. Auch die Gefängnispsychologin hat mir
sehr geholfen. Ich war einmal pro Woche bei ihr in der Gesprächstherapie.
Haben Sie keine Angst, in Ihr altes Leben zurückzukehren?
Nein. Alle haben immer gesagt: „Der Franz soll das gemacht haben? Nie im
Leben. Der rennt eher weg.“ Alle haben zu mir gehalten.
Wie soll Ihr neues Leben ausschauen?
Wie mein altes. Ich will
wieder Betriebselektriker im Krankenhaus Mödling sein. Da bin ich eigentlich
unkündbar. Und schließlich war ich zu Unrecht im Gefängnis.
Sie haben eine Tochter (14) und einen Sohn (22). Wie war das Verhältnis
zu ihnen, während Sie in Haft waren?
Meiner Kleinen habe ich
Briefe geschrieben. Ich weiß nicht, ob sie die bekommen hat. Ich wollte
nicht, dass sie ins Gefängnis kommt. Das hätte sie nicht verkraftet. Es ist
mein größter Wunsch, sie wiederzusehen. Aber ich weiß nicht, ob ich das
darf. Schließlich hat sie bis jetzt immer nur die Version ihrer Mutter und
deren Mutter gehört. Mein Sohn hat mich immer für unschuldig gehalten. Ich
hatte eher Angst, dass er aus Verzweiflung meiner Ex-Frau etwas tut.