Josef P. war für seine Familie ein Despot, der wegen seiner Scheidung zum mutmaßlichen Mörder wurde. Er wollte seine Macht nicht verlieren.
Alles, was Sabine P. wollte, war raus. Raus aus der Beziehung mit einem Despoten, der sich nur nach außen immer ruhig und besonnen gab, nach innen zu seiner Familie aber weder mit Schlägen noch mit Psychoterror sparte.
Und nur deshalb gab es den Termin am Dienstag um 14.45 Uhr beim Notar in St. Pölten. Dort wollte die 40-Jährige endlich einen Schlussstrich ziehen, auf alles Geld verzichten und nach 18 Jahren Ehe wieder ein selbstständiger Mensch werden. Geschieden, frei.
Doch dazu wollte es Josef P. (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) nicht kommen lassen. Ein Stanleymesser, das er in seiner Lederjacke eingesteckt hatte, wurde innerhalb von Sekunden zur tödlichen Waffe. Er schlitzte seiner Frau Sabine den Hals auf und gleich darauf sich selbst.
„Ich war nur einmal eine einzige Minute bei meiner Mitarbeiterin draußen, als wir die gellenden Schreie hörten. Doch als wir wieder ins Besprechungszimmer kamen, war alles vorbei“, erzählt der noch immer völlig geschockte Notar Michael Billeth, der seine Kanzlei mitten am Rathausplatz in St. Pölten hat. „Meine Mitarbeiterin konnte noch sehen, wie er sich selbst den Hals durchgeschnitten hat, dann lagen beide in ihrem Blut, und es war leise.“
Er wollte die Macht nicht verlieren und stach zu
Josef P. (44),
der Nebenerwerbslandwirt, zögerte keine Sekunde, seine beiden Söhne (11 und
17 Jahre alt) zu Vollwaisen zu machen. Er muss gemerkt haben, dass nun alles
zu Ende ist, er keine Macht mehr über seine Frau hat.
Und offenbar hatte er bis zuletzt auch gedacht, Sabine würde doch noch einen Rückzieher machen. Sie forderte bei der Scheidung keinen Cent Geld. „Sie wird ohne Geld nicht leben wollen und zu mir zurückkehren“, dachte sich wohl der Täter. Ein Irrtum.
„Er hat das sicher nicht komplett geplant, es gibt keinen Abschiedsbrief oder ähnliche Dinge, die auf eine Vorbereitung schließen würden. Vermutlich hat er einfach in diesem Moment kapiert, dass sie es ernst meint“, so auch Leopold Etz, Leiter der Mordkommission Niederösterreich, für den der Fall abgeschlossen ist. Es wird nicht einmal eine Obduktion geben. „Da liegt alles klar auf der Hand, die beiden waren allein, die Mitarbeiterin war sogar noch Zeugin.“
Bekannte des Ehepaares jedoch glauben nicht ganz an die Kurzschlussthese. „Er hat wortwörtlich gesagt, wenn sie mich verlässt, dann schneid’ ich ihr den Hals durch“, sagt sich ein Nachbar.
In St. Pölten, aber auch in Karlstetten, wo die beiden ihre Landwirtschaft hatten, und auch in Melk, wo die Familie von Sabine wohnt, sitzt der Schrecken tief. Das Haus von Sabines Mutter Ernestine war schon in den letzten Wochen vor dem Scheidungstermin Zufluchtsort für ihre Tochter gewesen, auch der kleinere der beiden Söhne, Manuel, wohnte bereits hier und geht in Melk zur Schule.
Er und sein Bruder werden jetzt vom Kriseninterventionsteam betreut. Ob sie aber jemals verkraften können, dass ihr Vater der Mutter das Leben nahm, weiß niemand.