Inzest-Fall
Morddrohungen gegen Anwalt
04.05.2008
Der Anwalt von Inzest-Vater Josef Fritzl ist bestürzt. Noch nie hat er in seiner 30-jährigen Berufslaufbahn derartige Drohungen erhalten.
„Ich bin fassungslos“, gesteht der Wiener Star-Anwalt Rudolf Mayer. Der Verteidiger mit jahrzehntelanger Erfahrung hat schon einige „Bestien“ vor Gericht vertreten – aber noch nie wurde ihm derart blanker Hass entgegengebracht. „Dass so etwas in Österreich möglich ist, hätte ich mir nie gedacht“, versichert Rudolf Mayer im ÖSTERREICH-Gespräch.
Attacken
Seit der Advokat den Fall Josef Fritzl vergangene Woche
übernommen hat, erhält Mayers Kanzlei zahlreiche Droh-Mails. Da wird
gefordert, dass man dem Anwalt die Zulassung entziehen möge oder dass der
Verdächtige Fritzl für immer in ein Bergwerk eingesperrt gehöre.
Angriffe
Doch was Mayer wirklich zutiefst erschütterte, waren
die teils unappetitlichen Angriffe gegen seine Person. „Welches Gewissen hat
Ihre Kanzlei, wenn man solch eine Bestie, die das ganze Land hasst,
verteidigt. Solche Menschen verdienen keine Verteidigung (...).“ Ein anderer
Schreiber meint: „Wer kann unsere Kinder vor solchen Menschen schützen, wenn
diese immer wieder einen Verteidiger finden.“ Weiter: „Ein Großteil der
Rechtsanwälte gehören gleichzeitig mit der Bestie eingesperrt.“
Bestrafung
Eine Mail beunruhigte Mayer besonders: „Fritzl das
Monster soll hingerichtet werden! Und du, Anwalt Mayer gehörst auch
bestraft. Es werden einige, die während der Fußball-EM 2008 da sind, dich
aufsuchen. Pass auf dich auf! Wir werden dich finden!“ Und sogar aus
Großbritannien kam ein Anruf: „Ganz im Ernst, wir wollen solche Perversen
wie Fritzl nicht. Wir wollen auch solche Advokaten nicht. Pass auf dich
auf!“ Angesichts dieser Einschüchterungen kommt der ansonst so wortgewandte
Verteidiger erstmals ins Stocken. „Dass man den Verteidiger mit dem Täter
identifiziert, ist mir völlig unerklärlich. Der Verteidiger, der zum
Beispiel einen Mörder vertritt, heißt das Töten um Himmelswillen doch nicht
gut! Was ist das für ein Verständnis von unserem Rechtsstaat?“
Verständnisvoll
Aber auch positive Nachrichten wurden an
Mayer geschickt. Da schreibt zum Beispiel ein Engländer: „Das Recht auf
Verteidigung muss man schützen. Ich sende Ihnen die besten Wünsche für Ihre
Bemühungen, die Wahrheit hinter der Emotion zu finden.“
Toughe Staatsanwältin
Staatsanwältin Christiane Burkheiser
wird Josef F. nach dem Inzest-Drama jedenfalls schweren sexuellen
Missbrauch, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung zur Last legen. Sie ist
erst seit zehn Monaten im Amt und kommt jetzt praktisch durch "Zufall"
zu diesem Fall. Am Mittwoch wird sie erstmals Josef Fritzl verhören.
Lebenslang droht
Gut möglich auch eine Anklage wegen „Mord durch
Unterlassung“. Denn Fritzl hat ein krankes Baby, das er mit seiner Tochter
Elisabeth gezeugt hatte, vor 12 Jahren im Keller sterben lassen, ohne einen
Arzt zu holen. Anschließend verbrannte er das Kind in einem Heizkessel. Im
für ihn besten Fall kommt der 73-Jährige mit 15 Jahren Haft davon; geht die
Mordanklage durch, droht ihm lebenslänglich.
Taktik
Das ist nahezu eine „Mission Impossible“ für Fritzls
Anwalt Rudolf Mayer, da dagegenzuhalten. Die Strategie des gewieften
Advokaten: „Meiner Meinung nach ist Josef Fritzl psychisch krank und gehört
nicht ins Gefängnis, sondern in eine geschlossene psychiatrische Anstalt.“
Gutachten
Über den Geisteszustand – und damit die
Schuldfähigkeit des Inzest-Vaters – wird das Gericht ein Gutachten in
Auftrag geben. Fritzls Verteidiger dazu: „Falls diese Expertise nicht die
Persönlichkeit widerspiegelt, erwäge ich, einen zweiten Sachverständigen zu
beauftragen.“ Das Wichtigste für den Verteidiger: „Erstens die Mordanklage
wegzukriegen und zweitens ein faires Verfahren. Denn ich vertrete kein
Monster, sondern einen Menschen.“
Sensation
Die Idee hinter der Taktik: Wird Fritzl durch
Gutachten für nicht zurechnungsfähig erklärt, gibt es überhaupt keinen
Strafprozess. Denn der Inzest-Vater würde dann in einer Nervenklinik
untergebracht werden. Noch unglaublicher: Eine Kommission aus Ärzten und
Juristen müsste jedes Jahr über seinen Geisteszustand befinden. Und hielten
ihn die Experten irgendwann für geheilt, wäre er sofort ein freier Mann.
Maßnahme
Weitere Möglichkeit: Gutachten attestieren Fritzl
eine „gestörte Persönlichkeit“, erkennen ihn aber als zurechnungsfähig. Dann
muss der Angeklagte seine Haftstrafe abbüßen, aber danach noch – unbefristet
– in eine Sonderanstalt für abnorme Rechtsbrecher. Für den 73-Jährigen
gleichbedeutend mit lebenslang.
Keine Kommentar der Gutachterin
Adelheid Kastner, Fachärztin für
Psychiatrie und Neurologie, die das Gutachten durchführen wird, wollte sich
vorerst nicht zu dem Fall äußern. Sie meinte aber, dass Umgang mit der Sache
für sie "nichts Neues" wäre, zu lange wäre sie schon im "Geschäft". Wie lang
ein solches Gutachten dauern würde, konnte sie nicht sagen. So etwas kann
Tage aber auch nur Stunden dauern, das käme auf die Komplexität des Falles
an.