Josef Fritzl ist vermutlich ein verurteilter Sexstraftäter, dennoch durfte er die drei Kinder adoptieren. Grund: Seine Schuld ist getilgt.
Dreimal erzählte Josef Fritzl den Behörden die obskure Geschichte seiner Tochter, die bei einer Todessekte sei und ihnen, den Großeltern, ihre Kinder vor die Tür gelegt hätte. Dreimal schöpften die Behörden keinen Verdacht und glaubtem ihm. Auch den Sozialarbeiterinnen, die die Familie regelmäßig - mindestens 21 Mal - besuchten, fiel nichts Verdächtiges auf. Denn Josef Fritzl war ein guter Schauspieler.
Josef F. aktenkundiger Sex-Täter!
Doch er war nicht nur
das: Er soll auch ein verurteilter Vergewaltiger sein. Der nette "Adoptivvater"
soll bereits in den 1970er-Jahren wegen eines Sexualdeliktes verurteilt
worden sein. Er soll damals in die Wohnung einer Frau eingedrungen sein und
sie missbraucht haben. Außerdem stand Fritzl zweimal im Verdacht, bei
Gasthäusern an Brandstiftungen beteiligt gewesen zu sein.
Vorwurf 1: Vergangenheit nie überprüft
Die Frage, die
sich dadurch stellt, ist: Warum haben die Behörden nicht wenigstens die
Vergangenheit der Adoptiveltern überprüft? Die zuständige Landesrätin
Gabriele Heinisch-Hosek: "Die beiden Großeltern waren nicht auffällig
und laut Gesetz haben die Angehörigen Vorrang, wenn es um Adoption geht."
Doch die "Angehörigkeit" wurde nie bewiesen. Denn der Brief
der Mutter, der den Kindern beigelegt war, gilt vor Gericht nicht als
Beweis. Die Kinder waren offiziell "Findelkinder".
"Sauberes" Leumundszeugnis
Offenbar wurde von den
Adoptiveltern entgegen erster Informationen der Polizei zwar doch ein
Leumundszeugnis verlangt, doch dieses war "sauber". Die Schuld von
Josef F. war 1994 bereits getilgt und wurde deswegen aus den Akten entfernt.
Aus dem Justizministerium heißt es, dass dies zwar ein äußerst bedauerlicher
Fall sei, es aber dennoch keinen Grund gebe, wegen dieses Einzelfalls, das
gängige Recht zu ändern.
Josef F. in Thailand/ (c) CEN
Josef F. bei seinem Thailand-Urlaub. (c) actionpress
Tochter als "Rabenmutter" hingestellt
Das erste Kind
landete am 19. Mai 1993 vor der Haustüre der Familie. Mit dabei war auch ein
Brief der vermeintlichen Mutter. In diesem Brief deutete sie an, dass sie
sich nicht um das Kind kümmern wolle, weil sie bereits zwei Kinder habe. Es
waren außerdem Tag und Uhrzeit der Geburt der Babys vermerkt. Der Vater
verbreitete daraufhin Gerüchte über eine mögliche Mitgliedschaft in einer
Sekte. Die Polizei erstattet sogar Anzeige gegen sie, wegen im Stich Lassen
von Unmündigen. Sie wird gesucht, aber nie gefunden. Die Tochter wird somit
als Rabenmutter hingestellt.
Vorwurf 2: Briefe nie untersucht
Warum wurden diese Briefe nie
genauer analysiert? Sie waren laut Bezirkshauptmann Lenze eine Art "Hilferuf".
Auch hier weist die eine Behörde, die Jugendwohlfahrt, die Schuld von sich. "Das
ist nicht die Zuständigkeit der Jugendbehörde, denn Findelkinder sind zuerst
Sache der Exekutive", so Heinrich-Hosek.
Das erste Kind wurde somit rechtsmäßig von der Familie Fritzl adoptiert - ohne Überprüfung der Vorvergangenheit des "Adoptivvaters" und - ohne Überprüfung der Briefe der Tochter, die wie vom Erdboden verschwunden blieb.
Vorwurf 3: Behörden bei Kindesweglegung nicht hellhörig
Die
zwei weiteren Findelkinder (von 1994 und 1997) werden vom Ehepaar Fritzl ein
paar Jahre später in Verwandtschaftspflege genommen. Sie bekommen dadurch
monatlich Geld vom Land Niederösterreich. Auch beim zweiten und dritten Kind
waren wieder Briefe von der leiblichen Mutter - der verschollenen Tochter
des Ehepaares - dabei. Doch auch dieses Mal schöpfte man bei der
Jugendanwaltschaft in der Bezirkshauptmannschaft Amstetten keinen Verdacht.
Für das zweite Kind wurden sie offiziell mit dem Sorgerecht betraut, beim
dritten Kind wurde ihnen lediglich eine Pflegebewilligung erteilt. Dazu gibt
es keinen Gerichtsakt.
Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, dazu: "Das ist ein Märchen. Beim ersten Mal ist es vielleicht glaubwürdig, aber nicht beim zweiten und schon gar nicht beim dritten Mal. Da hätten die Behörden hellhörig werden müssen."
Oma als "fürsorgliche Erzieherin"
Statt genauer
nachzuforschen wurde lediglich überprüft, wie es den Kindern gehe. Insgesamt
gab es 21 dokumentierte Hausbesuche. "Es haben manchmal sogar zwei
Sozialarbeiterinnen Kontakt gehabt. Fest stand, dass die Oma eine äußerst
fürsorgliche Erzieherin und Großmutter war. Dadurch ist nicht im geringsten
der Eindruck entstanden, das etwas nicht im Lot wäre", so
Hans-Heinz Lenze von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten. Die Pflegemutter
habe an "Pflegeeltern-Ehrungen" teilgenommen, die jedes Jahr in
Amstetten stattfanden. Jene Sozialarbeiterin, die am öftesten bei der
Familie F. zu Hause war, berichtete nichts Negatives über die Kinder und
deren Erziehung, sagte Lenze. In diesem Fall hätte man vielleicht doch etwas
Detaillierter hinter die Kulissen blicken sollen.
Keine gesundheitlichen Schäden
Sicher sei, dass alle drei
vermeintlichen Findelkinder nach ihrer Weglegung medizinisch untersucht
wurden, meinte Lenze. Beim 1993 gefundenen Mädchen war ein schwerer
Herzfehler festgestellt worden, woraufhin das Kind erfolgreich operiert
wurde. Bei den beiden Pflegekindern, für die Josef K. und seine Frau
monatlich Pflegegeld erhalten haben, habe es keine gesundheitlichen
Auffälligkeiten gegeben, so Lenze.