Inzest-Fall-Umfrage
Mehrheit der Österreicher kritisiert Behörden
07.05.2008
92, 6 Prozent der Österreicher kritisieren im Inzest-Fall von Amstetten des Verhalten der Behörden.
"Die öffentliche Wahrnehmung der Behörden ist eine völlig andere als deren Selbstdarstellung." So fasste der "Oekonsult"-Chef Joshi Schillhab eine repräsentative Umfrage zum Amstettner Inzest-Fall zusammen. 92,6 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass sich die zuständigen Behörden unzulässigerweise einen "voreiligen Persilschein in eigener Sache" ausgestellt haben.
Kritik an schneller öffentlicher Zurückweisung
Vor
allem die schnelle öffentliche Zurückweisung etwaiger Unterlassungen seitens
der Behörden hielten die Österreicher für "völlig unangemessen und
unglaubwürdig" und sei laut Schillhab "an Ablehnung fast nicht zu
überbieten". So waren nur 10,6 Prozent der Befragten mehr oder weniger der
Meinung, dass die zuständigen Behörden alles unternommen haben, um das
damalige Verschwinden von Elisabeth F. und die wiederholten
Kindesweglegungen aufzuklären. 32,8 Prozent beantworteten diese Frage mit
"trifft überhaupt nicht zu".
Adoption nicht ausreichend geprüft
Auch waren 93,1 Prozent
nicht davon überzeugt, dass die zugesprochene Adoption und die Pflegschaften
der vermeintlichen Findelkinder ausreichend geprüft und hinterfragt wurden.
Weitere 90,1 Prozent der Umfrageteilnehmer vertraten mehr oder weniger stark
die Ansicht, "dass im Fall des Josef F. die sogenannten
Persönlichkeitsrechte eines möglichen Täters über jene von potenziellen
Opfern gestellt wurden", 36,9 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage
gar "voll und ganz" zu.
Unglaubwürdig, dass keiner was bemerkte
Insgesamt hielten es
nur 5,3 Prozent der Umfrageteilnehmer für "durchaus glaubwürdig", dass weder
Polizei, noch Nachbarn, Freunde oder Lehrer "irgendetwas Relevantes rund um
den Josef F. bemerkt haben", das Anlass zum Einschreiten gegeben hätte. 45,8
Prozent antworteten auf diese Frage mit "trifft überhaupt nicht zu". Die
große Mehrheit vertrat die Ansicht, dass in Österreich generell zu wenig
Zivilcourage herrsche (93,7 Prozent).
Zwei Drittel glauben an Imageschaden für Amstetten
In puncto
Imageschaden durch den Kriminalfall machten die Befragten "sehrwohl
Unterschiede", erläuterte Schillhab. Während 60,6 Prozent der Befragten
einen schweren Imageschaden für Amstetten befürchteten, glaubte nur knapp
ein Drittel, dass ein solcher auch dem Bundesland Niederösterreich drohen
könnte. Dass ganz Österreich durch den Fall F. pauschal in Verruf geraten
könnte, meinten wiederum 40 Prozent.
Rechtsanspruch auf faires Verfahren
Überdies ergab die Befragung
von insgesamt 1.137 Österreichern ab 16 Jahren "trotz des schrecklichen
Ereignisses ein nationales Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit", wie es
Schillhab ausdrückte. 80,7 Prozent der Umfrageteilnehmer stimmten mehr oder
weniger der Aussage zu, dass Josef F. das Recht auf ein faires und
objektives Gerichtsverfahren hat. Aus rationaler Sicht waren 62,4 Prozent
der Meinung, dass der Beschuldigte die bestmögliche Verteidigung im
Strafverfahren erhalten soll, aus emotionaler Perspektive stimmten dem nur
mehr 40,7 Prozent zu.