Österreichische Fachgesellschaft: Schon bisher viel zu wenig Unterstützung durch die öffentliche Hand.
Der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) hat angekündigt, mehr als hundert Bewohner der von der Caritas betreuten Asylunterkunft St. Gabriel (Maria Enzersdorf) in andere Quartiere zu verlegen. Das führt zu Protest der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Dies verschlechtere die Situation noch mehr, hieß es am Mittwoch.
Man sei "aus fachlicher Sicht verwundert und bestürzt (...), dass eine Wohn- und Betreuungseinrichtung für psychisch kranke Flüchtlinge aufgrund eines tragischen Vorfalls geschlossen werden soll", stellte der Vorstand der Fachgesellschaft der Psychiater, Psychotherapeuten und Psychosomatik-Experten (ÖGPP) in einer der APA übermittelten Aussendung fest. Die Asylunterkunft in Maria Enzersdorf war durch eine Bluttat Anfang Mai in die Schlagzeilen geraten. Ein 25-jähriger Nigerianer steht im Verdacht, einen Asylwerber aus Bangladesch getötet zu haben.
"Nicht einmal annähernd ausreichende Therapie" möglich
Unter der Voraussetzung, dass die bisherige finanzielle Dotierung der Betreuung der in St. Gabriel von der Caritas versorgten traumatisierten und psychisch schwer kranken Flüchtlinge bisher pro Tag 44 Euro betragen habe, sei davon auszugehen, dass schon bisher "eine nicht einmal annähernd ausreichende Therapie und Versorgung" möglich gewesen sei. Dies sollte auch "allen zuständigen Stellen bekannt" gewesen sein, stellte der Vorstand der Fachgesellschaft fest.
Im Übrigen sei die finanzielle Unterdotierung der Versorgung psychisch Kranker in Österreich bei Weitem nicht "nur" ein Problem von betroffenen Flüchtlingen. "Die Unmöglichkeit der entsprechenden Versorgung mit einer solch mangelhaften Ressourcenbereitstellung der öffentlichen Hand betrifft unabhängig von ihrer Herkunft alle Menschen mit schweren psychischen Krankheiten", hieß es in der von ÖGPP-Präsidentin Christa Rados unterzeichneten Aussendung.
Verlegung keine Lösung
Zusperren und die in St. Gabriel bisher betreuten Menschen über das Land Niederösterreich zu verteilen, sie jedenfalls keine Lösung. "Die Vorgangsweise gegenüber dieser Einrichtung war schon bisher aus fachlicher Sicht falsch, die aktuelle Entscheidung ist es unserer Meinung nach genauso. Wir können daher nur warnen, auf diese Weise vorzugehen, da dies weder die Sicherheit der Bevölkerung erhöht noch den betroffenen Personen und Institutionen hilft", stellte die ÖGPP fest.
"Die Caritas hat in St. Gabriel über Jahre hinweg versucht, diese Menschen mit den vorhandenen Mitteln möglichst gut zu betreuen und dadurch auch Expertise gesammelt. Wenn man die Betroffenen jetzt auf zehn oder zwölf Einrichtungen verteilt, fehlt dort das Fachwissen", erklärte dazu am Mittwoch ein Wiener Psychiater. Die ÖGPP hat Anfang des Jahres ein "Positionspapier zur Flüchtlingsversorgung" mit detaillierten Empfehlungen veröffentlicht (http://www.oegpp.at/news/aktuelles/detail/news/positionspapier-zur-fluechtlingsversorgung/).