Tod in Krems
Polizei sucht nun dritten Komplizen
06.08.2009
Der Obduktionsbericht liegt vor: Der 14-jährige Kremser Einbrecher wurde in den Rücken getroffen. Das Projektil trat im Brustbereich wieder aus. Über R. wurde die U-Haft verhängt. Die Polizei sucht einen dritten Komplizen.
Der 14-Jährige Florian P., der am Mittwoch kurz vor 3.00 Uhr in einem Merkur-Markt in seiner Heimatstadt Krems als mutmaßlicher Einbrecher von der Polizei erschossen worden ist, wurde in den Rücken getroffen. Das gehe aus dem vorerst mündlichen Obduktionsgutachten hervor, sagte der Kremser Erste Staatsanwalt Friedrich Kutschera. Der Jugendliche sei demnach unterhalb eines Schulterblattes getroffen worden, das Projektil im Bereich der rechten Brustwarze ausgetreten.
Komplize ist geständig - U-Haft verhängt
Der durch
Oberschenkeldurchschüsse schwer verletzte 16-jährige mutmaßliche Komplize R.
wird im Landesklinikum Krems behandelt. Er sei "stabil", teilte
die NÖ Landeskliniken-Holding mit. Über ihn wurde die U-Haft verhängt. Der
Jugendliche habe sich geständig gezeigt, so der Staatsanwalt.
Maskiert
Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Ersten
Erkenntnissen zufolge war der Merkur-Markt nicht völlig dunkel. Und die
beiden Jugendlichen waren maskiert. R. und der getötete Florian P. (14)
wollten Geld aus den Kassen stehlen. Sie hätten auch gewusst, dass es einen
Safe gebe, jedoch nicht versucht, selbigen zu öffnen. Als sie vor der
Polizei flüchten hätten wollen, seien die Schüsse gefallen, teilte Kutschera
zur Einvernahme des 16-Jährigen mit. Was die Verletzung des Jugendlichen
angehe, könne er berichten, dass kein Knochen verletzt sei.
Dritter Täter im Auto?
Unterdessen wurde bekannt, dass die
Polizei nach einem dritten Täter sucht. Die Polizei sei sich sicher, dass es
einen weiteren Verdächtigen gebe. Das hätten die Ermittlungen am Tatort
ergeben, sagte Oberstleutnant Roland Scherscher vom Landespolizeikommando
NÖ. Der Verdächtige sei demnach mit einem Auto unterwegs gewesen.
Möglicherweise waren sogar noch mehr Jugendliche an dem Einbruch beteiligt.
Polizisten werden einvernommen
Die beiden Polizisten, ein Mann
und eine Frau, die nach Auslösung des stillen Alarms zu dem Supermarkt
gerufen worden sind und letztlich beide geschossen haben, sind nach wie vor
nicht einvernommen worden. Eine Befragung der Beamten solle am Freitag,
versucht werden, so Kutschera. Scherscher sagte, dass die Kollegen des
Landespolizeikommandos OÖ, die mit den Erhebungen hinsichtlich des
Schusswaffengebrauchs betraut worden sind, die Einvernahmen "so rasch
wie möglich" durchführen wollten.
"Das wissen wir nicht, das ist Spekulation", sagte Scherscher darauf angesprochen, dass es bei dem Einbruch weitere Mittäter gegeben haben könnte. Einem entsprechenden Hinweis werde jedenfalls nachgegangen. Der Oberstleutnant verwies auf "weitere Erhebungen".
Fall geht nach Korneuburg
Unterdessen hat die
Oberstaatsanwaltschaft angekündigt, den Fall am Freitag der
Staatsanwaltschaft in Korneuburg zu übertragen. Damit soll der Anschein
einer möglichen Befangenheit vermieden werden, der gegeben sein könnte, wenn
die Kremser Anklagebehörde gegen in Krems tätige Polizisten ermittelt.
Über die Zahl der letztlich in dem Supermarkt in der Dunkelheit abgegebenen Schüsse lagen noch keine gesicherten Angaben vor. Man gehe weiterhin von drei oder vier aus, so Scherscher. Beide Polizisten hatten gefeuert. Die Erhebungen am Tatort sind am frühen Mittwochnachmittag abgeschlossen worden. Der Merkur- Markt in der Landersdorfer Straße 8 in Krems hat seither wieder geöffnet.
"Im technischen Sinn" bewaffnet
In Polizeikreisen hieß
es am Donnerstag, dass es bei dem Einsatz mutmaßlich ein "großes
Bedrohungsbild" gegeben habe. Andernfalls hätten wohl nicht beide
Beamte ihre Waffen gezogen und geschossen. Es habe wohl ein "extremes
Überraschungsmoment" vorgelegen. Der 14-Jährige und sein noch 16
Jahre alter mutmaßlicher Komplize waren mit einem Schraubenzieher und einer
Gartenharke ausgerüstet. Die Jugendlichen seien demnach "im
technischen Sinn" bewaffnet gewesen, nicht jedoch nach dem
Waffengesetz, erläuterte Kutschera.
Heinz Patzelt, Generalsekretät von Amnesty International, stärkte derweil den Beamten den Rücken. Die Poilzei sei nicht schießwütig , meinte er.
Lichtermeer
Jugendliche in der Stadt sind "tief bestürzt
über den Vorfall. Viele kennen das Opfer persönlich",
beschrieb Julia Jäger, Sprecherin der Aktion kritischer SchülerInnen in
Krems, die Betroffenheit, die herrsche.
Die Aktion kritischer SchülerInnen NÖ (AKS NÖ) und die Sozialistische Jugend NÖ (SJ NÖ) haben Unterstützung bekundet. AKS NÖ-Sprecher Jakob Winter und SJ NÖ-Landesvorsitzender Bernhard Wieland riefen dazu auf, "möglichst zahlreich an der Gedenkkundgebung teilzunehmen".
Auch Vertreter vom "Bündnis gegen Polizeigewalt" waren anwesend. Vanessa Gaigg und ihre Mitstreiter hielten ein Plakat mit der Aufschrift: "Hier wurde Florian P. Opfer von Polizeigewalt. Er wurde am 5. August 2009 erschossen." Das Bündnis will eine Debatte über Polizeigewalt ins Leben rufen und aufzeigen, dass das Polizeisystem versage.
Florian P. und der zwei Jahre ältere R. hätten "natürlich" ein Verbrechen begangen, so Gaigg. "Aber das rechtfertigt nicht, dass ein 14-Jähriger tot und ein 16-Jähriger schwer verletzt ist. Noch dazu, wo beide unbewaffnet gewesen sind."
Vor dem Eingang zum Merkur-Markt wurden weinende Mädchen von Freundinnen in den Arm genommen und getröstet. Es sei "schlimm" was passiert sei, sagte eine Jugendliche. Unfair sei das Vorgehen der Polizei gewesen, fügte eine andere hinzu. Gemeinsamen verfassten sie einige Zeilen an den toten 14-Jährigen und legten den Brief bei den Kerzen, Blumen und anderen Schreiben ab. "Flo" habe zum Freundeskreis gehört, so die beiden Mädchen.
Vorfall vor Merkur-Markt
Scherscher bestätigte einen Vorfall vom
Donnerstagnachmittag vor dem Merkur-Markt. Es liege eine Anzeige wegen
Körperverletzung vor. Die Vernehmung des Beschuldigten - aus dem Umfeld des
getöteten Jugendlichen - werde "wegen der derzeitigen Situation
erst später durchgeführt".
Vorwürfe der Mutter
Die Mutter hatte sich im ORF-Radio
Vorwürfe vorgebracht, von den Informationen der Polizei abgeschnitten zu
sein. Auch der 19-Jährige
Bruder hatte in Interviews Kritik erhoben.
Fekter hält sich bedeckt Wenig kann sie der Idee von Amnesty International-Generalsekretär Heinz Patzelt abgewinnen, der vorgeschlagen hatte, dass bei Todesfällen durch Waffengebrauch eines Polizisten immer eine Gerichtsverhandlung stattfinden sollte. "Ich halte es nicht für gerechtfertigt, dass jedes Mal Anklage erhoben wird, selbst wenn ganz klar Notwehr vorliegt", sagte Fekter. Die Innenministerin betonte, dass es eine umfangreiche Ausbildung in Sachen Waffengebrauch gebe. Das sei bundesweit geregelt. Es gebe vier Bundeseinsatztrainer, neun Landeseinsatztrainer sowie 400 nebenamtliche Einsatztrainer. Pro Jahr muss jeder Polizist viermal zum Schusstraining. Es werde überprüft, ob diese Trainings auch absolviert werden. Die Einsatztrainer würden Listen führen, sagte Oberst Christian Stella vom Ministerbüro. |