Rückenschuss
Polizei unter Druck nach Todeskugel für Biker
09.08.2008
Darf die Polizei einen flüchtenden Dieb erschießen? Diese Frage beschäftigt die Justiz, nachdem in drei Monaten zwei Menschen gestorben sind.
Nach den tödlichen Schüssen auf einen vorbestraften Motorrad-Dieb im Bezirk Mistelbach gehen die Wogen hoch: Es handelt sich bereits um den zweiten Vorfall dieser Art in nur drei Monaten. Am 19. April wurde nahe Schwechat der Rumäne Vasile C. (24) erschossen. Freitag früh starb in Wetzelsdorf der 46-jährige Wolfgang H. mit einer Kugel im Rücken.
Obduktion
Laut Polizei dürfte der Wiener ein Berufsverbrecher
gewesen sein: In seinem Zweithaus in Drasenhofen wurden vermutlich
gestohlene Bikes, Mofas und ein Ersatzteillager gefunden. Und mittlerweile
ist auch klar, wie der Hobby-Rennfahrer starb: Als er eine Sperre
durchbrechen wollte, traf ihn eine Kugel des Polizisten Ernst N. (25) in den
Rücken. Die Verletzungen waren laut Obduktion tödlich.
Drei Behörden ermitteln nun: Die Burgenländische Kripo macht die Tatort-Arbeit, während die Wiener KD 1 die Erhebungen durchführt. Geleitet werden beide Stellen von der Staatsanwaltschaft Wien (die Kollegen in Korneuburg fühlen sich befangen).
Auffällig
Entscheidende Frage für die Ermittler: Wäre
Wolfgang H. nicht auch anders zu stoppen gewesen – etwa mittels
Stahlkrallen? Die Polizei verneint das: „Zwischen dem Funkruf, dass er
kommt, und seinem Auftauchen an der schnell errichteten Sperre verging zu
wenig Zeit“, sagt Florian Ladengruber von der Polizei in Mistelbach.
Tatsache sei aber, dass die Beamten nicht wussten, dass die Yamaha gestohlen
war: „Die Verfolgung wurde aufgenommen, weil uns der Verdächtige mehrere
Male davongefahren ist.“
Gewaltmonopol
Sicherheitsdirektor Franz Prucher sieht keinen
Grund, sich über die Häufung tödlicher Amtshandlungen Sorgen zu machen: „Es
gibt ein Waffengebrauchsgesetz, der Staat hat nun mal das Gewaltmonopol
inne“, sagt er zu ÖSTERREICH. Die Entscheidung zum Waffengebrauch sei auch
bei fundierter Ausbildung extrem schwierig. Ob die Entscheidung im konkreten
Fall richtig war, solle die Staatsanwaltschaft prüfen.
Falscher Polizist
Genau das macht die Justiz schon seit drei
Monaten im zweiten Fall: Der Tod des „falschen Polizisten“ Vasile C. Ein
erstes Schuss-Gutachten brachte laut Medien zu Tage, dass der junge Mann an
einem Querschläger gestorben sei. Der Schuss sei somit nicht gezielt
abgegeben worden, interpretierten Beobachter.
Widerspruch
Somit könnte der Vorwurf der fahrlässigen Tötung vom
Tisch sein. Allerdings: Das Gutachten widerspricht den eigenen Aussagen des
Beamten. Denn bei der Tat-Rekonstruktion gab er an, aus kurzer Distanz ins
Fluchtauto geschossen zu haben. Statt den anvisierten Schalthebel habe er
jedoch den Fahrer getroffen.