Fahrlässige Tötung
Polizist im Fall Krems wird angeklagt
04.01.2010
Florian P. starb im Merkur-Markt - durch einen Schuss aus einer Polizeiwaffe. Jetzt wird der Schütze angeklagt.
Der Polizist, der in der Nacht auf den 5. August 2009 in einem Kremser Supermarkt den 14-jährigen Florian P. erschossen hat , wird wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen angeklagt.
Darüber hinaus gab der Leiter der Staatsanwaltschaft Korneuburg, Karl Schober, bekannt, dass das Verfahren gegen die Polizistin eingestellt wird, die zuvor in dem Supermarkt den Begleiter des 14-Jährigen, einen 17 Jahre alten Burschen, angeschossen hatte. Ihr billigt die Anklagebehörde zu, in "gerechtfertigter Notwehr" gehandelt zu haben, wie der Behördenleiter feststellte.
Prozess in Korneuburg
Die Staatsanwaltschaft Korneuburg, die in
dieser Sache von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien mit den Ermittlungen
betraut worden war, wird den Strafantrag gegen den Polizisten beim
zuständigen Landesgericht Krems einbringen. Zugleich wird die Anklagebehörde
beantragen, dass nicht in Krems, sondern im Landesgericht Korneuburg
verhandelt wird. "Damit soll jedem Anschein einer möglichen
Befangenheit vorgebeugt werden", so Schober.
Polizist drohen drei Jahre Haft
Über den Delegierungsantrag muss
das Oberlandesgericht Wien entscheiden. Der Verteidiger des Polizisten,
Hans-Rainer Rienmüller, hat ab Zustellung des Strafantrags zwei Wochen Zeit,
diesen zu beeinspruchen. Dem Beamten drohen im Fall eines anklagekonformen
Schuldspruchs bis zu drei Jahre Haft.
Rekonstruktion: Das passierte in der Nacht
Der 14-Jährige
Florian P. und sein 17 Jahre alter Freund waren in der Nacht auf dem 5.
August 2009 in den Supermarkt eingebrochen, weil sie nach Angaben des
17-Jährigen den Tresor aufbrechen wollten. Dabei lösten sie Alarm aus. Als
die Polizei eintraf, versteckten sich die Jugendlichen zunächst in einem
dunklen Gang vor dem Verkaufsraum.
Dort kam es zu der Begegnung mit den beiden Beamten, die sich im Dunkeln von den Vermummten angegriffen fühlten. Diese hatten eine Gartenharke bzw. einen Schraubenzieher dabei. Während der Polizist einen Warnschuss abgab, feuerte seine Kollegin auf die Beine des 17-Jährigen. Das Projektil drang dem Jugendlichen in beide Oberschenkel.
Für die Beamtin bleibt ihre Schussabgabe ohne strafrechtliche Folgen. "Bei ihr sind wir davon ausgegangen, dass ein Angriff vorgelegen hat und deswegen eine notwehrfähige Situation gegeben war", erläuterte der Leiter der Staatsanwaltschaft Korneuburg. Weil es infolge "gerechtfertigter Notwehr" zum Schusswaffengebrauch kam, habe man die Anzeige gegen die Polizistin zurückgelegt.
Während der 17-Jährige nach dem Treffer unweit der Türe zum Verkaufsraum zusammengebrochen war, lief der 14-Jährige in den erleuchteten Raum und versteckte sich hinter einer Palette. Der Beamte folgte ihm, den Angaben des Polizisten zufolge soll er ihn neuerlich angesprungen haben, als er in die Nähe des Verstecks kam.
Schuss aus 2 Metern abgefeuert
Wie der Schießsachverständige
Ingo Wieser und der Gerichtsmediziner Christrain Reiter herausfanden, wurde
der tödliche Schuss aus einer Entfernung von 1,8 bis zwei Metern abgegeben.
Der Beamte dürfte sich vor der Schussabgabe auch nicht hingekniet haben, wie
er bei der Tatrekonstruktion behauptet hatte. Vielmehr nahmen es die
Gutachten als erwiesen an, dass der Polizist im Stehen dem 14-Jährigen in
den Rücken schoss.
Da diese Erkenntnisse nicht mit den ursprünglichen Aussagen des Mannes in Einklang standen, hatten es Justizkenner für nicht ausgeschlossen gehalten, dass gegen jene Anklage wegen eines Vorsatzdeliktes - etwa absichtliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge - erhoben werden könnte.
Für die Staatsanwaltschaft Korneuburg steht allerdings fest, dass ein Fahrlässigkeitsdelikt vorliegt, wie Schober erklärte: "Im Hinblick auf die vorangegangene Situation in dem dunklen Gang hat der Beamte irrtümlich Notwehr angenommen, weil der Bursche dann offensichtlich hinter dem Stapel hervorgesprungen ist. Wir billigen ihm diese Einschätzung zu, die im Rahmen der Ermittlungen nicht widerlegt werden konnte. Tatsächlich lag eine Notwehrsituation zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Dass er sie angenommen hat, ist ihm als Fahrlässigkeit anzulasten."