Zwischenrufe und Beschimpfungen bei der Verkündung des Urteils.
Mit sieben Schuldsprüchen und einem Freispruch - jeweils nicht rechtskräftig - ist in der Nacht auf Freitag der Schlepper-Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt zu Ende gegangen. Die vorsitzende Richterin des Schöffensenats, Petra Harbich, verhängte teilbedingte Freiheitsstrafen von sieben bis 28 Monaten. Die Schöffen hatten zuvor fast acht Stunden lang beraten.
Seit März waren acht Asylwerber aus Afghanistan, Pakistan und Indien, darunter einstige Asyl-Aktivisten in Wien, wegen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Organisation vor Gericht gestanden. Ihnen war vorgeworfen worden, dass sie Landsleuten u.a. die Weiterfahrt organisiert hatten. Alle Verurteilten haben den unbedingt verhängten Teil der Strafen bereits durch die U-Haft verbüßt. Von einem Gutteil der angeklagt gewesenen Fakten wurden sie freigesprochen. Staatsanwältin Gunda Ebhart gab keine Erklärung ab, die Beschuldigten meldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Chaos bei Urteilsverkündung
Bei der Urteilsverkündung kam es zu Chaos. Es gab unflätige Zwischenrufe und Beschimpfungen aus dem Publikum. Ein Angeklagter rastete verbal aus und ließ die Richterin nicht mehr weiterreden. Harbich blieb dennoch lange cool.
In der nächtlichen Urteilsbegründung differenzierte die Vorsitzende bei jedem der acht Angeklagten. Einige wurden wegen Förderung von Schlepperhandlungen aus gewerbsmäßigen Gründen, einige auch wegen Schleusungshandlungen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verurteilt. "Kriminelle Vereinigung ist nicht dasselbe wie kriminelle Organisation", erklärte die Richterin den zum Teil aufgebrachten Asylwerbern: "Vereinigung bedeutet den Zusammenschluss von nur drei Personen auch nur über wenige Tage hindurch."
So begründete die Richterin die Urteile
Der Fünftangeklagte, von der Staatsanwaltschaft als Chef der Schlepper-Zelle in Österreich bezeichnet, wurde ebenfalls von etlichen Anklagefakten freigesprochen. Den Schuldspruch zu den übrig gebliebenen Anklagepunkten, für die der Pakistaner eine teilbedingte Haft von 28 Monaten, davon 21 Monate auf Bewährung, ausfasste, begründete die Richterin folgendermaßen: "Sie haben in den abgehörten Telefongesprächen sehr wohl differenziert, ob sie bei der Schleusung von Landsleuten Geld verdienen wollen oder nicht."
Lediglich der Viertangeklagte erhielt einen glatten Freispruch. Der 38-jährige Pakistaner war übrigens derjenige, der unfreiwillig den Prozess initiiert hatte. Weil er in Österreich als Unternehmer tätige Landsmänner wegen Steuerhinterziehung angezeigt hatte, "revanchierte" man sich mit einer Schlepper-Anzeige.
Schreiereien unter den Angeklagten und im Publikum machten die Urteilsbegründung zum Teil unverständlich. Die Richterin ließ sich aber nicht beirren. "Shame on you" und Parolen wie "This is no democracy" wurden auch nach Ende des Prozesses noch skandiert. Ein Einschreiten der Polizeikräfte war jedoch nicht nötig.