Strafantrag gestellt
Tierschützer kommen vor Gericht
11.08.2009
Der Gruppe um Martin Balluch wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, schwere Nötigung und schwere Sachbeschädigung.
Die zehn Tierschützer, gegen die eine Sonderkommission der Polizei über Jahre hinweg intensiv ermittelt hatte, werden sich vor Gericht verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat einen Strafantrag fertiggestellt, der den Betroffenen bzw. ihren Rechtsvertretern jetzt zugestellt wird. Der Strafantrag umfasst rund 200 Seiten und soll auch den zentralen Vorwurf der Bildung einer kriminellen Organisation nach dem Mafia-Paragrafen 278a Strafgesetzbuch enthalten.
104 Tage U-Haft
Die Aktivisten - darunter mit Martin Balluch der
Obmann des Vereins gegen Tierfabriken - waren im Mai 2008 in U-Haft genommen
und insgesamt 104 Tage angehalten worden. Sie sollen laut
Sicherheitsbehörden eine Zelle der "Animal Liberation Front "(ALF) - einer
militanten Tierrechtsbewegung - gebildet und versucht haben, auf
Textil-Ketten, deren Sortiment Pelzbekleidung umfasste, mittels
Brandstiftung, Sachbeschädigungen - etwa Buttersäure-Anschlägen - und
gefährlicher Drohung bzw. schwerer Nötigung Druck auszuüben.
Bande gebildet
Die Unternehmen sollen dadurch in ihrer Existenz
bedroht gewesen sein. Von einem gesamten Sachschaden von bis zu 600.000 Euro
war die Rede. Die Verdächtigen wiesen die Vorwürfe von Anfang an entschieden
zurück. Vor allem die Behauptung, eine kriminelle Organisation gebildet zu
haben, ließen sie nicht gelten. Diesen Vorwurf hält die Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt aufrecht, wohingegen sich einzelne Aspekte der
ursprünglichen Anschuldigungen nicht mehr im Strafantrag finden sollen.
Während die Tierschützer und ihre Sympathisanten von einer "Teileinstellung" des Verfahrens sprechen und den Behörden in diesem Zusammenhang ein "Eingeständnis der vollkommen überzogenen Vorgehensweise und der Unhaltbarkeit der Vorwürfe" unterstellen, betont die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, es liege eine "Teilerledigung" vor. Ein Teil der Vorwürfe sei aus dem laufenden Verfahren ausgeschieden worden, bleibe aber weiter Ermittlungsgegenstand.
Wieso keine Anklageschrift?
Der Umstand, dass in dieser Causa
lediglich ein Strafantrag und keine begründete Anklageschrift eingebracht
wurde, löst bei einigen Justizexperten Verwunderung aus. "Ein Strafantrag
mit diesem Umfang ist absolut ungewöhnlich", verlautete aus dem
Justizministerium. Ein ranghoher, an einer anderen Behörde tätiger
Staatsanwalt bemerkte, die Kollegen in Wiener Neustadt müssten entweder
"eine gigantische Faktenlage" zusammengetragen oder einen ausführlich
begründeten Strafantrag erstellt haben, "was an sich unüblich ist".
Bis zu fünf Jahre Haft
Sollten die Aktivisten im Sinn des
278a StGB schuldig erkannt werden, drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft. Die
Verhandlung, die im Herbst über die Bühne gehen dürfte, wird vor einem
Einzelrichter am Landesgericht Wiener Neustadt verhandelt werden.
Schweine in Panik
DerStrafantrag enthält auch den Vorwurf der
Tierquälerei. Indem die Aktivisten zwischen dem 30. und 31. März 2008 das
eiserne Tor zu einem Schweinestall in Bad Fischau-Brunn (Bezirk Wiener
Neustadt-Land) aufbrachen, sollen sie 400 Mastschweine in Panik versetzt
haben. In weiterer Folge hätten sie die Tiere "unnötigen Qualen ausgesetzt",
zumal diese "nicht in Freiheit zu leben imstande waren". Laut
Strafantrag soll der Großteil der befreiten Schweine verendet sein.
Inkriminierter Schaden in diesem Faktum: 5.120 Euro.
Die gravierenderen, ein mögliches Strafausmaß von bis zu fünf Jahre Haft begründenden Anklagepunkte lauten auf Bildung einer kriminellen Organisation im Sinne des "Mafia-Paragrafen" § 278a Strafgesetzbuch (StGB), teils versuchte und teils vollendete schwere Nötigung und schwere Sachbeschädigung. |
Eingestellt wurde:
Zu einzelnen, ursprünglich den zehn
betroffenen Aktivisten zugerechneten Sachbeschädigungen hat die
Anklagebehörde Teileinstellungen vorgenommen. Diese beziehen sich auf die
Beschädigung einer Filiale der Firma "Kleiderbauer" vom 1. Dezember 2006,
eines weiteren Geschäfts sowie des Pkw einer Angestellten einer
Textil-Kette. Auch eine "Befreiung" von Nerzen wurde eingestellt. Weiters
sind Aktionen in Schweden und Amsterdam nicht Gegenstand der Anklage, da
diesbezüglich "die Täterschaft nicht nachweislich" ist.
Da es sich um keine Anklageschrift handelt, ist gegen das Schriftstück keine Einspruchsmöglichkeit vorgesehen. Der Strafantrag erwächst ab Zustellung in Rechtskraft.