Entsetzen nach Bluttat

Todes-Vater war ein Schläger

26.05.2012

Hinter der Tragödie von St. Pölten steckt ein Familiendrama.

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„Es ist ein Wahnsinn, was passiert ist. Mein Enkel hat Kugeln im Kopf. Es ist schrecklich“, sagt die Oma von Berk K. (7) in gebrochenem Deutsch und mit tränenerstickter Stimme zu ÖSTERREICH. Auch Opa Ali Mehmet ist geschockt: „Wir hoffen, dass der Bub dieses feige ­Attentat überlebt.“ Und: „Mein Schwiegersohn war ein Tyrann. Sie hatte furchtbare Angst vor ihm.“

Vor zwei Wochen hatte Ehefrau Senay (33) genug: Sie reichte die Scheidung ein, zog mit den Kindern aus der gemeinsamen Wohnung aus, übersiedelte zu ihrem Vater Ali: „Sie hatte einfach Angst vor ihm“, sagt er zu ÖSTERREICH. Das Gericht in St.Pölten verhängte über den 37-jährigen Türken (er besitzt einen Kebabstand) ein „Betretungsverbot“. Er durfte seine Familie zu Hause nicht mehr sehen – das Verbot galt aber nicht für die Schule. Ein Antrag auf Ausweitung des Verbots ging beim Gericht nicht ein.

Vielleicht hätte dieser Schritt die Tragödie verhindern können: Berk liegt auf der Intensivstation des Krankenhauses St. Pölten. Kämpft um sein Leben. Mama Senay (33) wacht an seiner Seite. Mitglieder der türkischen Großfamilie schauen nach ihm.

Schütze hatte für Pistole keinen Waffenschein

Doch alle können nur hoffen und beten, denn: „Der Bub erlitt einen Kopfdurchschuss, wurde mehrere Stunden notoperiert. Sein Zustand ist sehr, sehr kritisch“, sagt der behandelnde Arzt Christoph Hörmann Samstag zu ÖSTERREICH (siehe rechts).

Freitag um 8.30 Uhr saß Berk, unauffällig und bestens integriert, in der Klasse 2a der Volksschule Wagram (NÖ), als die Lehrerin mit einem Diktat beginnen wollte. Plötzlich störte sein Vater Engin K. (37) den Unterricht und lockte ihn unter dem Vorwand heraus, ihm Jausengeld zu geben. Berks Schwester Berin (6) nahm er ebenfalls mit.

In der Garderobe setzte der Vater seinem Sohn plötzlich eine Pistole an den Kopf. Drückte ab. Wie sich herausstellte, war die Waffe illegal. Der Bub blieb schwer verletzt liegen, die Schwester musste alles mit ansehen, doch ihr geschah nichts. Der Vater flüchtete nach der Tat mit dem Auto und jagte sich auf der Fahrt eine ­Kugel in den Kopf.

Ein Drama, das alle beschäftigt. Direktor Christian Waka: „Das Bild des ­blutenden Jungen geht mir nicht aus dem Kopf.“ Lukas Mauerhofer vom Eltern­verein klagt: „Ich habe selbst zwei Kinder. Sie begreifen nicht, warum ein Papa auf den eigenen Sohn schießt.“

Großvater: "Er war extrem gewalttätig"

ÖSTERREICH: Hat sich diese Wahnsinnstat Ihres Schwiegersohns angekündigt?
Ali Mehmet: Meine Tochter Senay hat die Scheidung eingereicht, weil er ein Spieler war und extrem gewalttätig. Er verspielte viel Geld an Automaten und in Wettcafés, tyrannisierte die ganze Familie. Er hat meine Tochter offenbar schon längere Zeit schlimm geschlagen und misshandelt. Sie hatte fürchterliche Angst vor ihm, alle fürchteten sich. Sie konnte letztendlich nicht mehr, wollte die ­rasche Scheidung und hat mit den beiden Kindern zuletzt schon bei uns gewohnt. Aber dass so etwas passieren wird – das war unvorstellbar.

ÖSTERREICH: Haben Sie den Buben im Spital schon besuchen können?
Mehmet: Ja, seit der Operation sind wir fast rund um die Uhr im Krankenhaus. Meine Frau, die Oma von Berk, ist an den Abenden zu Hause und kümmert sich um seine kleine Schwester Berin.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihrer Tochter?
Mehmet: Wie soll es ihr schon gehen? Sie ist verzweifelt und hofft genauso wie ich, dass Berk überlebt und wieder alles normal wird. Sie ist die ganze Zeit am Krankenbett von Berk und hält ihm die Hand. Das Wichtigste ist jetzt, dass Berk überlebt und wieder ganz gesund wird.

Arzt: "Not-OP dauerte einige Stunden"

ÖSTERREICH: Herr Primar, die wichtigste Frage gleich am Anfang, wie geht es dem kleinen Berk?
Christoph Hörmann: Der Zustand des Kindes ist nach wie vor sehr kritisch und hat sich gegenüber Freitagnachmittag, direkt nach der Not-Operation, leider Gottes nicht verbessert.

ÖSTERREICH: Wie oft ist der Bub schon operiert worden?
Hörmann: An dem jungen Patienten wurde gleich nach der Aufnahme ins Spital eine mehrstündige OP durchgeführt. Dabei sind alle chirurgischen Maßnahmen gesetzt worden, die bei solchen Verletzungen, nämlich einem Durchschuss des Kopfes, notwendig sind. Er wird nicht nochmal operiert werden müssen.

ÖSTERREICH: War seine Familie schon bei ihm?

Hörmann: Ja, die Mutter und andere Familienmitglieder sind seit Freitagnachmittag immer bei ihm. Sie wachen direkt bei ihm im Zimmer auf der Intensivstation.

ÖSTERREICH: Hand aufs Herz, Herr Primar, können Sie eine längerfristige Prognose für den kleinen Buben abgeben?
Hörmann: Nein, eine Prognose ist in diesem speziellen Fall sehr schwierig. Nur so viel: Sein Zustand ist wirklich sehr kritisch.

(wef, prj, lam)

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