Drama um Michael M.
Todeszug - Hilferufe kamen zu spät
16.11.2008
Könnte Michael M. noch leben? Und wer ist schuld daran, dass der Todeszug ungebremst in sein Auto donnerte. Der Staatsanwalt ermittelt.
Das Drama begann Donnerstag kurz vor Mitternacht: Der Mechaniker Michael M. ist auf dem Weg nach Herzogenburg, als er aufgrund von Sekundenschlaf die Herrschaft über seinen lila Golf verlor. Der VW überschlug sich und landete auf den Schienen der Regionalbahn. Der verletzte Vorarbeiter kann sich nicht aus dem Wrack befreien – und ruft seine beste Freundin Bettina C. an. Die 25-Jährige: „Er schrie nur: Ich hab mich überschlagen! Ich komm nicht raus! Ruf die Rettung!“
Es war 23.44 Uhr – diese Zeit bleibt im Handy gespeichert –, als eine Bekannte, die neben Bettina stand, ebenfalls per Mobiltelefon „144“ wählte und erreichte.
Bettina telefonierte 1 Minute und 11 Sekunden mit Michael M., dessen Angst immer größer wurde, als die Leitung zu ihm abriss.
Um 23.49 Uhr alarmierte der Lokführer die Verkehrsleitung, dass er soeben ein Fahrzeug gerammt habe. Als er später erfuhr, dass der Lenker im Auto noch gelebt hatte, erlebte er den Schock seines Lebens.
Wie groß muss der Schock aber sein, wenn er erfährt, dass sein Zug gestoppt hätte werden können! Fünf Minuten lang – so viel Zeit, die unnütz verstrich, weil die Kommunikation in der Alarmierungskette nicht funktionierte.
Nicht besetzt?
Stefan Spielbichler von „144“: „Wir haben
definitiv versucht, die ÖBB nach dem Anruf der besorgten Frau zu erreichen.
Doch einmal hob niemand ab, dann flogen wir aus der Leitung. Beim dritten
Versuch informierte uns ein Tonband, dass die Hauptzentrale nur zwischen 6
und 20 Uhr erreichbar sei.“ Heute, Montag, wird „144“ eine
Sachverhaltsdarstellung beim Staatsanwalt abgeben.
Zu spät
Die interne Auswertung der Telefonprotokolle
ergab, dass der erste Notruf erst nach dem Zusammenstoß des Zuges mit dem
Auto eingetroffen sei. Der Pkw-Fahrer wäre also nicht mehr zu retten
gewesen.
ÖBB-Sprecherin Karin Gruber: „Vor dem Crash mit dem Zug ist gar kein Notruf bei uns eingegangen. Der Zugführer und wir haben die Einsatzkräfte mobilisiert. Erst nach dem Unfall um 23.56 Uhr hat die Rettung versucht, die ÖBB zu erreichen.“
Kein Tonband?
Die Aufzeichnungen würden bestätigen, dass vor der
Kollision kein Anruf von "144 - Notruf NÖ" bei den ÖBB eingegangen sei,
sagte Sprecher Alfred Ruhaltinger. Zu Angaben, wonach die
Rettungsorganisation zuvor auf ein Tonband gelangt sei, hielt er fest, dass
es bei der ÖBB-Notruf-Hotline kein Tonband gebe.
Um alle Zweifel auszuschließen, werde die Telekommunikationstechnik überprüft. "Wir checken gerade mit einem Telekom-Experten, ob ein technisches Problem vorgelegen sein könnte", so Ruhaltinger.
ÖBB hätte "keinen Fehler gemacht"
Die ÖBB
hätten keinen Fehler gemacht, der tragische Unfall hätte nicht vermieden
werden können. Das Notfallmanagement funktionierte - wie auch seit Jahren
die Zusammenarbeit mit der Rettungsorganisation, betonte der Sprecher.