Mordversuch
Tschetschene stach auf Taxler ein: 19 Jahre Haft und Maßnahme
05.03.2024Vor Gericht sagte der Angeklagte über die äußerst brutale Messer-Attacke, dass er dachte, dass sein Opfer schon tot sei.
Bis heute konnte sich der Familienvater und Taxifahrer (49) von seinen Verletzungen und auch von den psychischen Konsequenzen nicht erholen. Zwei Tage hatte die Polizei nach dem Tschetschenen (28) fahnden müssen, der im Taxi des Opfers ohne Vorwarnung ein Messer gezückt und auf den Fahrer eingestochen hatte.
Am Dienstag wurde er am Landesgericht Wiener Neustadt zu 19 Jahren Haft verurteilt. Zudem wurde er in ein forensisch-therapeutischen Zentrum eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Frage nach versuchtem Mord wurde von sieben der acht Geschworenen bejaht. Schuldig gesprochen wurde der Angeklagte auch - jeweils einstimmig - wegen schweren Raubes, Sachbeschädigung und wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz. Dem Opfer wurden 14.722 Euro zugesprochen.
In allen Anklagepunkten geständig
Im Geschworenenprozess bekannte sich der Tschetschene zu allen Anklagepunkten - auch zu Sachbeschädigung und einem Vergehen nach dem Waffengesetz - schuldig. Ab dem Alter von 18 Jahren hatte der Mann seinen Angaben zufolge zunächst täglich Cannabis und später Speed konsumiert.
"Drei Monate vor der Verhaftung habe ich aufgehört", berichtete der 28-Jährige. Danach habe er Tabletten genommen. In der Nacht der Tat habe er zwei Messer, einen Pfefferspray, einen Schlagring und einen Handbohrer in eine Tasche gepackt und die Wohnung verlassen. "Ich bin im Wald spazieren gegangen und beim Zurückgehen nach Hause habe ich ein Taxi gesehen", sagte er. Da habe er beschlossen, den Taxilenker auszurauben. Mit diesem Gedanken habe er bereits seit einigen Jahren gespielt.
Angeklagter: "Ich dachte, er ist schon tot"
Während der Fahrt von Mödling nach Breitenfurt habe er sich zunächst mit dem Chauffeur unterhalten, dann "habe ich ein Messer herausgenommen und ein paar Mal von hinten zugestochen", schilderte der 28-Jährige den Beginn des Angriffs: "Ich konnte mich nicht kontrollieren." Als sich der Lenker schließlich schwer verletzt im Auto befand und der Angeklagte Sirenen hörte, machte er sich aus dem Staub: "Ich dachte, er ist schon tot." Sein Handy blieb im Auto zurück. Der 28-Jährige wurde nach mehrmaliger Fahndung, bei der auch ein Polizeihubschrauber, Drohnen und Diensthunde eingesetzt waren, zwei Tage nach der Tat in Mödling festgenommen.
Eine schlüssige Erklärung für die Attacke konnte der Angeklagte nicht geben. Nach mehrmaligem Nachfragen nannte er Geldmangel. Mit der Beute wollte er "Drogen kaufen und gambeln". Von Geld sei keine Rede gewesen, der Angreifer habe "nur zugestochen", berichtete das Opfer. Warum der 28-Jährige ein Loch in den Tank des Taxis gebohrt hatte, konnte er ebenfalls nicht begründen.
Laut einem Gutachten des Psychiaters Manfred Walzl leidet der Angeklagte an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, ist aber zurechnungsfähig. "Er will seine kriminellen Ideen um jeden Preis durchsetzen", zudem lerne der 28-Jährige nicht aus Bestrafung, sagte der Sachverständige. Der Tablettenkonsum habe keine wesentliche Rolle gespielt. Aufgrund der Tathandlung, der Vorgeschichte und des Lebenslaufs seien wegen der schwerwiegenden und nachhaltigen Erkrankung neuerliche Taten bis hin zum Mord zu befürchten. Walzl empfahl eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.
Der Verteidiger verwies ebenfalls auf die "tiefgreifende psychische Erkrankung" seines Mandanten und meinte, das Motiv sei angesichts der Beute "lächerlich". Die Tat sei trotz geordneter sozialer Verhältnisse passiert. Der unbescholtene Angeklagte ist verheiratet, Vater eines Kleinkindes, hatte zuletzt in Wien gewohnt und als Staplerfahrer gearbeitet. Seine Staatsangehörigkeit ist ungeklärt.
Der Taxifahrer erlitt laut Gutachter Wolfgang Denk rund 35 Stich-und Schnittwunden. Zwei Stiche durchtrennten die linke Wange, ein weiterer traf die rechte seitliche Brustwand mit Durchstich einer Rippe und einer einen Handmuskel. Zum Teil seien die Verletzungen durch die Gegenwehr entstanden.
Das türkische Opfer leidet laut der Privatbeteiligtenvertreterin nach wie vor an den psychischen und körperlichen Folgen des Angriffs. "Seit dem Vorfall bin ich zuhause im Krankenstand", sagte der Mann, der in Abwesenheit des Angeklagten befragt wurde: "Rausgehen ist schwer, ich habe Angst", er müsse sich immer vergewissern, dass hinter ihm niemand ist. Seinen Beruf werde er deshalb nicht mehr ausüben können. Er mache Physio- und Psychotherapie. Laut Walzl leidet er an einer Anpassungsstörung. Gefordert wurden mehr als 14.700 Euro an Schmerzensgeld. Die Summe wurde vom Angeklagten anerkannt. Das Urteil steht noch aus.
Stach auf brutale Weise 35 Mal zu
Ins Taxi eingestiegen war der 28-Jährige am 11. September 2023 in Mödling. Der Tatverdächtige ließ sich ins beschauliche Breitenfurt fahren, wo er auf brutalste Weise mit einem Klappmesser auf den Taxifahrer losging.
Als das bereits verletzte Opfer aus dem Auto sprang und versuchte die Türe zuzuhalten, um eine weitere Attacke zu verhindern, ließ der Angreifer nicht ab. Er stach sogar weiter auf den am Boden liegenden Taxifahrer ein, ehe ihm die Stichwaffe entrissen wurde. Daraufhin soll der Beschuldigte ein Stanleymesser gezückt haben.
Der Lenker schaffte es dann wieder zurück in den Wagen und fuhr los. Der 28-Jährige soll dann noch weiter durch das offene Fenster zugestochen haben. Der Pkw kam von der Straße und blieb seitlich im Graben liegen. Danach habe der Beschuldigte den Chauffeur nochmals mit Pfefferspray besprüht. Dann kletterte er in den Wagen und raubte den Rucksack des Lenkers, in dem sich unter anderem Zigaretten und eine Getränkedose befanden. Das Opfer konnte noch den Notrufknopf drücken, es wurde blutüberströmt zurückgelassen und von der Feuerwehr befreit. "Ich habe gedacht, ich sterbe", sagte der Mann. Dann habe er das Bewusstsein verloren. Der schwer verletzte 49-Jährige wurde in ein Wiener Spital eingeliefert.