Die 26-Jährige erhält 18 Monate teilbedingte Haft. Die Mörderin des eigenen Kindes will nun Kindergartenhelferin werden.
Eine Blamage für unsere Justiz: Wegen Tötung eines Kindes bei der Geburt ist am Mittwoch eine 26-jährige Wienerin im Straflandesgericht zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Einen Monat muss sie dem Richterspruch zufolge im Gefängnis verbringen, der Rest wurde ihr unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nachgesehen. Die dreifache Mutter hatte am 16. Juli 2007 in ihrem Elternhaus in Wien-Donaustadt eine gesunde Tochter zur Welt gebracht und unmittelbar nach der Geburt mit bloßen Händen und einem Kopfpolster erstickt.
Sorgerecht für Kinder entzogen
Die Frau lebt mit zwei
Kindern - fünf und drei Jahre alt - nach wie vor im Einfamilienhaus ihrer
Eltern. Die Obsorge wurde allerdings 2006 der Mutter der 26-Jährigen
übertragen, weil das Jugendamt dies für dringend nötig befand. "Man
wollte mich auf den rechten Weg bringen", gab dazu die junge Frau in
ihrer Verhandlung an.
Eigenes Kind zur Adoption freigegeben
Ein weiteres Kind hatte
sie unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigegeben. "Es war das
Beste für das Kind", erfuhr das Gericht. Sie habe diesem "eine
bessere Zukunft bei Pflegeeltern" ermöglichen wollen. Zu den Vätern
bestehe "absolut kein Kontakt". Sie sei jung und verliebt gewesen
und ausgenutzt worden, tat sie ihre Ex-Freunde mit einem Atemzug ab.
Verhütung zu teuer: heimliche Schwangerschaft
Im Vorjahr
wurde die Bürokauffrau neuerlich schwanger, zumal sie - so ihre eigene
Aussage - aus finanziellen Gründen vom Verhüten Abstand genommen hatte. Sie
erzählte davon nur ihrem damaligen Freund, der umgehend die Beziehung
beendete. Ihren Eltern versuchte sie die Schwangerschaft zu verheimlichen.
Speziell ihre Mutter bemerkte aber den größer werdenden Bauch und stellte
entsprechende Fragen. Die 26-Jährige leugnete, in "anderen
Umständen" zu sein.
"Konnte mit niemandem reden"
Sie habe befürchtet, von
ihrem Vater rausgeschmissen zu werden, rechtfertigte sie sich vor dem
Schöffensenat. Sie könne schon seit der Hauptschule mit ihren Eltern nicht "richtig
reden", sagte die Beschuldigte: "Es war immer die Panik, die ich
zu Hause gehabt habe. Mit niemandem reden können."
Kind "alleine zur Welt geholt"
Sie habe daher geplant,
sich wie beim letzten Mal ins Krankenhaus zu begeben, sobald die Wehen
einsetzten, und das Neugeborene wieder zur Adoption freizugeben. Ihren
Angaben zufolge wurde sie diesmal jedoch von den Wehen überrascht, nachdem
sie ihre Kinder schlafen gelegt hatte: "In mir hat sich richtig eine
Panik zusammen gebaut." Sie habe in dieser Situation das Kind "alleine
zur Welt geholt", was "eigentlich relativ schnell" gegangen
sei. Schmerzen habe sie keine gehabt.
Im "Blackout" eigenes Kind erstickt
Als sie das Baby
anblickte, sei ihr nur der Gedanke durch den Kopf gegangen, was nun zu tun
sei. Da habe sie schon den Polster in der Hand gehabt und - als das
Neugeborene kurz aufweinte - zugedrückt: "Ich wollte, dass niemand
einen Schrei oder irgendwas hört." Es habe sich um ein "Blackout"
gehandelt: "Ich wusste nicht, was ich mache."
Leiche im Kopfpolster versteckt
Den Leichnam stopfte sie in
einen Polsterbezug und versteckte diesen unterm Bett. Dann begab sie sich
aufgrund der starken Blutungen ins Spital, wo ihr die Ärzte nach der
Untersuchung auf den Kopf zusagten, dass sie soeben ein Kind zur Welt
gebracht haben musste. Die 26-Jährige gab das schließlich auch zu.
Hört Phantomschreie von Kindern
Die zur Verhandlung
geladenen Eltern der Frau entschlugen sich im Zeugenstand der Aussage. Die
Beschuldigte gab noch, seit Monaten an Alpträumen zu leiden. Sie höre "Kinder
schreien, wo keine Kinder sind", sehe das tote Baby oft vor sich: "Es
holt mich jeden Tag ein."
Arbeit im Kindergarten als Therapie?
Ihr aktueller Berufswunsch "klingt
ein bisschen absurd", wie die vorsitzende Richterin bemerkte: Die Frau
lässt sich über Vermittlung des AMS zur Kindergartenhelferin ausbilden. "Ich
würde das Ganze dadurch besser verarbeiten", verteidigte sie ihr
Ziel. Sie könne nur nach vorne blicken: "Ich muss wieder ins Leben
zurückfinden."
Psychotherapie
Der Senat trug der Frau auf, sich einer
psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen. Mit dem Urteil war
Verteidiger Harald Schuster einverstanden. Staatsanwältin Julia Koffler-Pock
meldete demgegenüber Berufung an: Bei einem Strafrahmen von bis zu fünf
Jahren erschien ihr das verhängte Strafausmaß zu gering. Das Urteil ist
daher nicht rechtskräftig.