"Sie soll zurückkommen", appellierte am Montag Innenminister Platter an die verschwundene Arigona. Die 15-Jährige darf erst einmal in Österreich bleiben.
Innenminister Günther Platter hat gestern erstmals auf den ganz Österreich bewegenden Fall der verschwundenen Arigona reagiert. Eine Garantie, dass die 15-Jährige und ihre Familie in Österreich leben dürfen, gibt es aber nach wie vor nicht. Aber die Abschiebung des Mädchens ist erst einmal ausgesetzt..
Gutachten nötig
Die Verhandlungen sind zäh, die Aussagen
wage. Minister Platter verspricht dem Mädchen nur: "Einen Rücktransport wird
es ohne ein medizinisches Gutachten des psychischen Zustands der jungen Frau
nicht geben." Er appelliert an das Mädchen, sie solle zurückkommen.
Mit Selbstmord gedroht
Das Mädchen, das mit seinen Eltern seit
fünf Jahren integriert im oberösterreichischen Bezirk Vöcklabruck lebt, ist
aufgrund der drohenden Abschiebung in den Kosovo untergetaucht. Wie
ÖSTERREICH berichtete, schrieb die 15-Jährige aus ihrem Versteck einen
Brief, der nun auch die Bundespolitik bewegt. Denn die Schülerin drohte in
dem Brief mit Selbstmord: "Lebend stelle ich mich der Polizei nicht."
Die 15-jährige Arigona. (c) Erich Petschenig
Sie forderte, dass auch ihr Vater und ihre vier Geschwister, die vergangenen Donnerstag in den Kosovo ausgeflogen wurden, nach Österreich zurückkehren dürfen. Möglicher Hintergrund der Abschiebung: Arigonas Bruder soll einen Ladendiebstahl begangen haben. Gibt es Hoffnung auf ein gemeinsames Leben in Österreich? Eine Zusage gibt es von Platter nicht: "Nach der medizinischen Untersuchung werden weitere Schritte beraten.“ Die Mutter der 15-Jährigen erlitt, nachdem sie den Brief ihrer Tochter mit der Selbstmord-Drohung erhielt, einen Zusammenbruch und liegt weiterhin im Spital.
Währenddessen geht die Suche nach Arigona weiter. Die Polizei macht sogar Hausdurchsuchungen bei Freunden der Familie. Es gibt jedoch keine Spur vom Versteck des Mädchens.
Demo am Samstag
Am Samstag um zehn Uhr soll in Frankenburg eine
Demonstration stattfinden, der Veranstalter rechnet mit mehreren hundert
Teilnehmern. "Wir verlangen, dass man nicht alles von Wien aus
bestimmt, sondern solche Fälle auf örtlicher Ebene geklärt werden",
sagte Organisator Chris Müller. Viele Leute in der Gemeinde finden, dass "es
reicht" und wollen mit der Kundgebung ein Zeichen setzen.
"Die rechtliche Seite ist gegen sie"
Welche Chancen
die Familie hat, könne er nicht einschätzen, so der Vöcklabrucker
Bezirkshauptmann Peter Salinger: "Die rechtliche Seite ist gegen sie,
die öffentliche Meinung aber für sie." Auch der Franz
Sieberer (S), Bürgermeister der Gemeinde Frankenburg am Hausruck, wo die
Familie in den vergangenen Jahren gelebt hat, bedauert, dass ihm "die
Hände gebunden sind". Er sei froh, dass die Abschiebung ausgesetzt
sei und hoffe auf eine schnelle Lösung.
Der Brief der 15-jährigen Arigona an die Öffentlichkeit:
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Gleich zwei Fälle, bei denen Familien aus Österreich abgeschoben werden sollen, erschüttern das Land: Denn beide Male sind Teenager vor der Abschiebung geflüchtet. Die 15-jährige Arigona aus Oberösterreich ist seit Mittwoch untergetaucht. Sie droht sogar mit Selbstmord, will keinesfalls in den Kosovo zurück. Und auch der 16-jährige Denis aus Niederösterreich ist auf der Flucht vor Behörden und Polizei. In einem berührenden Interview mit ÖSTERREICH schildert er: "Es geht mir schlecht, ich habe Angst. Ich war erst einmal in meinem Leben im Kosovo. Dort ist mir alles fremd."
1.500 Familien betroffen
Insgesamt sind 1.500 Familien in
Österreich akut von einer Abschiebung bedroht - so der Verein Land der
Menschen. Auffällig ist: Innenminister Günther Platter (ÖVP) greift in
Sachen Abschiebepraxis im Moment besonders hart durch und kennt vor allem
bei Familien mit straffällig gewordenen Familienmitgliedern keine Gnade.
Vergangene Woche präsentierte er einen Kriterienkatalog. Dieser soll den
Beamten die Entscheidung erleichtern, wer in Österreich bleiben darf. Doch
der Minister lieferte nur wenig Konkretes - wie objektiv die jeweilige
Entscheidung wird, ist noch ungewiss, so die Kritiker.
Jahrelange Verfahrensdauer
Hauptproblem: Mit der derzeitigen
Gesetzeslage dauern Asylverfahren mitunter länger als fünf Jahre. Ein
Zeitlimit für die Verfahren ist im neuen Katalog nicht fixiert. Derzeit
warten 5.137 Menschen bereits länger als drei Jahre auf eine Erlaubnis, in
Österreich zu bleiben. Länger als fünf Jahre warten 1.856. Kritikpunkt:
Manche Verfahren dauern so lange, dass viele Familien in Österreich
mittlerweile Kinder haben. Diese Kinder wehren sich erstmals mit ihren
Mitteln, fliehen und tauchen unter.