Völlig allein gelassen müssen Arigonas Geschwister im Kosovo leben. Ihr Vater ist abgehauen und sie haben kein Geld.
Die drei Zogaj-Buben sehen müde aus. Keine Spur mehr von der Lebhaftigkeit, die man noch vor neun Monaten – kurz nach ihrer Abschiebung in den Kosovo – in ihren Gesichtern erkennen konnte. Alle drei haben abgenommen, die Zähne der älteren, Alban und Alfred, sind kaputt vom schlechten Wasser. Der Kleine, Albin, hat Läuse und kratzt sich ständig am Kopf. Der Alltag kreist ums Geldverdienen, für einen geregelten Schulbesuch gibt es keine Chance.
Niemand kümmert sich
Ihr Vater, Dzevat, hat den Druck, dass
seine Frau und seine Tochter noch in Österreich sind und er im Kosovo keine
Zukunft für sich sehen konnte, nicht mehr ausgehalten. „Er hat gesagt, er
geht nach Montenegro“, erzählt der 17-jährige Alfred. „Und am nächsten Tag
in der Früh war er verschwunden. Das ist jetzt mehr als einen Monat her.“
Die großen Buben haben es nicht übers Herz gebracht, den zwei Kleineren die
Wahrheit zu sagen. Albin und Albona glauben immer noch, dass ihr Vater bei
einem Onkel ist und bald zurückkommt.
Überlebenskampf
Seither kämpfen die drei Buben im Kosovo um
ihr Überleben. Für ihre Schwester Albona (8) war noch Platz bei einer Tante
im 20 Kilometer entfernten Ort Studenica. Aber die drei Buben konnte niemand
unterbringen. Ein Nachbar hat ihnen um 140 Euro im Monat eine kleine Wohnung
vermietet, in der nächsten Stadt, Peja, in einer Roma-Siedlung. Die Wohnung
ist in einem halbfertigen Haus, aus der Decke lugen immer noch die
elektrischen Leitungen, mehrmals täglich fällt für Stunden der Strom aus.
Der Weg zu dieser Wohnung führt über einen holprigen Schotterweg vorbei an
Wellblech-Baracken und Bergen von Müll, der am Straßenrand liegt. Mittendrin
spielen die Kinder Fußball. Kühe und Pferde laufen frei herum.
Den Mietvertrag für die Wohnung, vor der ein Dutzend Kuhfladen liegen, hat der Vater noch unterschrieben, bevor er wenige Wochen später verschwand. "Wer zahlt jetzt meine Miete?" fragt der Nachbar und schüttelt dabei den Kopf. Seit zweieinhalb Monaten hat er noch keinen Cent gesehen.
Keine Dusche
Seit zwei Wochen gibt es in der kleinen Wohnung
kein Wasser mehr. Deswegen können die Buben nur selten duschen und sich
waschen, die Notdurft verrichten sie hinter dem Haus. Selten fließt der
Strom. Dann holen die Kinder Wasser aus dem Dorf, erwärmen es und leeren es
sich über den Kopf.
Der Nachbar hilft den drei Buben, so gut er kann. Sie richten für ihn eine Garageneinfahrt her. Der kleine Albin, der noch immer nicht in die Schule geht, kickt daneben seinen Fußball herum. Jeden Tag gleich nach dem Aufstehen beginnen sie, mit einer Spitzhacke und einem zehn Kilo schweren Hammer auf eine alte Betonmauer einzuschlagen. Den Schutt leeren sie mit einer Schubkarre hinter das Haus. Wenn die Mauer entfernt ist, müssen sie noch die Einfahrt begradigen, damit man mit dem Auto hinfahren kann. „Dafür kommt der Nachbar ein paar Mal die Woche vorbei und bringt Brot und Wurst“, erzählt der 18-jährige Alban Zogaj, der jetzt das Familienoberhaupt ist. Vom Kochen haben die Buben nur wenig Ahnung, gegessen wird deshalb nur notdürftig, meistens gibt es Würstel mit Brot, manchmal nur Brot.
Eine Arbeit haben die Buben sonst noch nicht gefunden. Einmal haben sie das Heu auf einem zwei Hektar großen Feld zusammengerecht und aufgeschichtet. Zwei Tage haben die beiden dafür gebraucht - als Lohn haben sie zusammen fünf Euro erhalten.