Sorgerechtsstreit

Evangelos wird doch abgeschoben

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Bezirksgericht Linz verbannt Dreijährigen endgültig nach Griechenland. Die Anordnung: Er muss erst seinen Vater kennenlernen.

Es war ein Grashalm, an den sich Sandra M. seit Tagen geklammert hatte. Doch am Montag knickte eine Linzer Richterin auch die letzte Hoffnung der 34-Jährigen: Sohn Evangelos (3) muss – mit oder ohne seine Mutter – zurück nach Griechenland, bis dort das Obsorgeverfahren um den Dreijährigen geklärt ist. Einziger Trost ist eine Galgenfrist von einigen Wochen:

  • Zunächst wird der Vater über ein stundenweises Besuchsrecht informiert. Er könnte dann praktisch jeden Tag vor der Tür stehen.
  • Es sind Treffen mit Evangelos unter Aufsicht des Jugendamtes geplant, damit er sich an den Vater zu gewöhnen kann. Das kann mehrere Wochen dauern.
  • Dann aber kann der Dreijährige jederzeit nach Griechenland rückgeführt werden. Ob die Mutter mitkommt oder nicht hängt davon ab, ob gegen sie in Griechenland ein Haftbefehl vorliegt. Das wird das Außenamt in den nächsten Wochen herausfinden.

„Ich hoffe einfach, dass sein Vater erkennt, dass der Kleine bei mir am besten aufgehoben ist“, erzählt die Mutter Sandra M.

In Käfig: Unmenschliche Zustände in Kinderheimen
Dem Drama ging eine Urlaubsromanze voraus: Während eines Griechenlandaufenthaltes verliebte sich Sandra M. in Taxifahrer Nikolaos. Nach der Heirat folgte Söhnchen Evangelos. Dann zeigte der Grieche sein wahres Gesicht: Morddrohungen und Schläge standen an der Tagesordnung. Doch Sandra M. gelang die Flucht nach Linz, reichte die Scheidung ein.

Nun steht Sandra M. vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Gibt sie ihren Sohn in Griechenland in ein Kinderheim – oder zum gewaltbereiten Vater? Das Heim, sagt die Diplomkrankenschwester, sei für sie nie infrage gekommen. „Dort herrschen unmenschliche Zustände: Kinder werden entweder unter Medikamente gesetzt oder in Holzkäfigen gehalten“, weiß Familienrechtexperte Günter Tews, der die Alleinerziehende unterstützt. Um die 34-Jährige vor einem möglichen griechischen Gefängnisaufenthalt zu schützen, habe man nun einen 2. Aufschiebungsantrag gestellt.

Vergangenen Freitag hatte wieder eine Obsorgeverhandlung in Griechenland stattgefunden. Die Entscheidung wird Sandra M. aber erst in drei Monaten schriftlich zugestellt. Ihre Hoffnung ist nun, dass das Verfahren beschleunigt wird und sie das alleinige Sorgerecht erhält. Dann könnte auch Evangelos bei ihr bleiben.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen nach dem heutigen Urteil?
Sandra M.: Ich bin sehr müde, habe aber einen Lichtblick. Wir haben ein bisschen Zeit gewonnen. Ich hoffe jetzt, dass die Obsorge in Santorin so schnell wie möglich geklärt wird, sodass Evangelos gar nicht erst hinunter fliegen muss.
ÖSTERREICH: Was sind die nächsten Schritte?
Sandra M.: Für mich kommt nicht infrage, dass Evangelos bei diesen Zuständen in ein Heim kommt. Für den Fall, dass ich unten wegen Kindesentführung verhaftet werde, gebe ich meinen Sohn lieber in die Obhut meines Ex-Mannes. Die richterliche Anordnung lautet, dass Evangelos jetzt erst einmal unter Aufsicht des Jugendamtes seinen Vater kennenlernen muss. Nikolaos wird uns daher in den nächsten Wochen besuchen.
ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen bei der Vorstellung, Ihren gewalttätigen Ex-Mann zu sehen?
Sandra M.: Schrecklich, aber ich muss das Beste daraus machen. Ich habe nur Angst, dass er sich Evangelos schnappt und flüchtet. Aber ich hoffe, dass mein Ex-Mann hier in Linz erkennt, dass unser Sohn bei mir am besten aufgehoben ist.
ÖSTERREICH: Wenn Ihnen aber keine Verhaftung droht, gehen Sie mit Evangelos nach Griechenland?
Sandra M.: Solange bis die Obsorge geklärt ist, ja. Da ich weder die Sprache kann noch angesichts der Wirtschaftslage eine Arbeit finden kann, werden wir für diesen Fall versuchen, uns ein Hilfsnetz aufzubauen.

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