Skandal in Ebensee
Fünfter Neonazi gefasst
11.05.2009
Nach den Neonazi-Umtrieben in Ebensee ist in der Nacht auf Dienstag noch ein weiterer, 17-jähriger Tatverdächtiger ausgeforscht worden.
Die oberösterreichische Polizei hat am Montag vier Verdächtige festgenommen, bis in den Abend hinein wurden sie verhört. Es handelt sich um Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren. Die Teenager haben bereits gestanden, sie wollten sie mit ihrer Aktion provozieren.
Jetzt wurde ein weiterer Bursche gefasst. Er dürfte der älteste der Neonazi-Gruppe sein. Die Polizei ermittelt somit nun gegen insgesamt fünf Personen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Sie stammen alle aus der Region.
Tip eines Anrainers
Die ersten vier Burschen wurden nach einem
Hinweis eines Anrainers ausgeforscht. Er hatte einen von ihnen gesehen, wie
er unmaskiert aus dem Stollensystem gekommen war und ihn erkannt. Die
Polizei nahm ihn am Montagnachmittag fest. Drei Stunden später wurden die
drei anderen bei einem gleichzeitigen Zugriff gefasst.
Schießübung abgehalten
Alle fünf stammen aus der
Region. Der Exekutive waren sie noch nicht einschlägig aufgefallen,
allerdings hatten sie vor dem Zwischenfall mit CO2-Waffen und Softguns
Schießübungen durchgeführt. Am Vorabend der Gedenkveranstaltung hatten sie
sich verabredet, eine Störaktion durchzuführen.
Franzosen verletzt
Die vier Täter waren anscheinend zunächst im
Besichtigungsstollen aufgetreten, wo sie eine Gruppe von Franzosen
attackierten. Zwei der Franzosen sollen von Geschoßen aus der Attrappe eines
Gewehrs vom Typ AK-47 (Kalaschnikow), vermutlich Plastikkugeln, getroffen
und verletzt worden sein. Danach flüchteten die Burschen über einen
Seitenstollen in Richtung Ort.
Italiener beherzt
Unterwegs trafen sie auf eine italienische
Gruppe, der sie "Sieg Heil" und mit erhobener rechter Hand "Heil
Hitler" entgegenriefen. Die Italiener wollten das Quartett schnappen
und rissen einem der Täter die Sturmmaske herunter. Auf der Flucht dürften
die vier die davor verwendete Kalaschnikow-Attrappe verloren haben.
NS-Wiederbetätigung
Für den Strafrechtsexperten Helmut
Fuchs von der Universität Wien handelt es sich bei dem Vorfall klar um
Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes. "'Heil Hitler' und
'Sieg Heil' zu rufen ist eindeutig nationalsozialistische Wiederbetätigung",
meint Fuchs. Er vermutet, dass sich die Staatsanwaltschaft im Falle einer
Anklage auch auf diesen konzentrieren wird, obwohl auch andere Tatbestände
erfüllt sein könnten.
Bis zu fünf Jahre Haft
Der Leiter der zuständigen
Staatsanwaltschaft Wels Franz Haas wartet derzeit auf die
Erhebungsergebnisse der Polizei. Vorerst habe er nur ein Aviso, dass gegen
bestimmte Personen ermittelt werde. Er rechnet mit einer Anzeige nach
Paragraf 3g des Verbotgesetzes. Es könnten aber noch weitere Delikte dazu
kommen.
Innenministerin Maria Fekter (V) hatte bereits am Montag zu bedenken gegeben, dass es sich in Ebensee nicht nur um ein Denkmal, sondern um die letzte Ruhestätte von KZ-Opfern handle. Somit könnte auch der Tatbestand der Störung der Totenruhe gegeben sein. Von den Aussagen der französischen Teilnehmer ist es abhängig, ob gegen die Jugendlichen auch wegen Körperverletzung ermittelt wird.
Bei der Strafbemessung sei für ein Gericht aber der gravierendste Vorwurf maßgeblich - dieser wäre in diesem Fall der Verstoß gegen das Verbotgesetz, erklärte Haas. Es sieht bei einer Verurteilung für Erwachsene die Höchststrafe von zehn Jahren vor, bei Jugendlichen ist es die Hälfte.
Bisher nicht in der Nazi-Szene verkehrt
Bei den Verdächtigen
handelt es sich um Schüler und Lehrlinge. Das Quintett ist gut miteinander
befreundet. Eine rechtsextreme Gesinnung sei in den Befragungen nicht
feststellbar gewesen, schilderte Lißl. Sie seien bisher auch nicht in der
einschlägigen Szene in Erscheinung getreten. Es seien keine Verbindungen
dorthin oder etwaige Hintermänner erkennbar. Auch einschlägiges Material sei
bei ihnen daheim nicht gefunden worden. Die von ihnen gerufenen Nazi-Parolen
könnten allerdings auch nicht von ungefähr kommen, gab Lißl zu bedenken. Das
jeweilige Elternhaus der Burschen sei unverdächtig. Das Umfeld werde aber
noch weiter durchleuchtet.
Gefährliche Drohung
"Wahrscheinlich" handle es
sich bei dem Vorfall auch um gefährliche Drohung, so der Experte. Die Täter
sollen ja eine Gruppe Franzosen mit einer Plastik-Attrappe einer
Kalaschnikow attackiert haben. Hier droht eine Strafe von bis zu einem Jahr
Haft. War für die Opfer die Waffe nicht als Attrappe erkennbar, könnte es
auch eine Todesdrohung gewesen sein, diese kann mit bis zu drei Jahren
Freiheitsentzug bestraft werden.
Bürgermeister entschuldigt sich
Entsetzt zeigte sich
Bürgermeister Herwart Loidl über Vorfälle: „Für ein solches Vorgehen von
einer Gruppe irregeleiteter Neo-Nazis wird es Null-Toleranz geben. Ich stehe
in engem Kontakt mit der Exekutive, die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.“
Bei den betroffenen Veranstaltungsteilnehmern, die mit Nazi-Parolen
beschimpft wurden, entschuldigte sich Loidl offiziell im Namen der
Bevölkerung für die erlittene Demütigung.
Prammer: "Beschämend"
SPÖ-Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer bezeichnete die Aktion als "niederträchtig"
und "beschämend". Es gehe um die "geistig-moralische
Hygiene", außerdem stehe das internationale Ansehen des Landes auf dem
Spiel. Sie vertraue aber auf die Behörden, dass es zu einer lückenlosen
Aufklärung kommt, so Prammer.
Fekter: "Intolerabel"
ÖVP-Innenministerin Maria Fekter
bezeichnete die Vorkommnisse als "in keinster Weise zu tolerieren".
"Wir werden die Täter mit Sicherheit fassen", so Fekter.
Spindelegger: "Unerträglich"
Auch
ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger verurteilte die Störaktion. Am Rande
des Treffens des UNO-Sicherheitsrates in New York zum Thema Naher Osten
zeigte er sich erschüttert: "Solche Provokationen sind
unerträglich und nicht zu tolerieren. Ich verurteile das aufs Schärfste",
so der Außenminister.
Öllinger: Entschuldigung
Der Grüne Sozialsprecher Karl
Öllinger forderte eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung bei den
betroffenen Teilnehmern aus Italien und Frankreich. Er ortet ein "unfassbares
Versagen der Exekutive".