Neben Stollen soll es auch Raketenabschussbasen gegeben haben.
In St. Georgen an der Gusen (Bezirk Perg) sind neue Hinweise auf mögliche geheime Nazi-Bauten veröffentlicht worden. Demnach könnten sich dort mehr Stollen als bisher bekannt befinden sowie Raketenabschussbasen. Das alles wurde in einer öffentlich zugänglichen "Pressekonferenz" Mittwochabend präsentiert. Dabei wurde die Forderung nach einer näheren Erforschung erhoben.
"Bergkristall"
Betrieben wird die Angelegenheit vom Linzer Filmemacher Andreas Sulzer, der an zwei Streifen mit Bezug zum KZ Gusen - ein Außenlager von Mauthausen - arbeitet. Dort hielten die Nazis mindestens 71.000 Menschen aus 27 Nationen gefangen, mehr als die Hälfte kam zu Tode. Sulzer sucht nach Beweisen für die Existenz unbekannter Stollen des einst größten unterirdischen NS-Rüstungsprojektes "Bergkristall". Dieser Bau einer acht Kilometer langen Anlage zur unterirdischen Flugzeugproduktion kostete mehr als 8.600 KZ-Häftlingen das Leben. Ein Großteil der Gänge wurde später zerstört oder aus Sicherheitsgründen verfüllt.
Im Februar 2014 hatte der Filmemacher unter Berufung auf Gerüchte, dass in St. Georgen Atomversuche durchgeführt worden seien, Bohrungen vornehmen lassen, die aber erfolglos blieben. Zuletzt ließ er Bagger auf dem Gelände des Schützenvereines von St. Georgen auffahren, weil er dort den Eingang in ein Stollensystem vermutet. Tatsächlich wurde ein verschüttetes Bauwerk freigelegt, die Grabung ist jedoch behördlich gestoppt worden.
Alte Fotos
Jetzt veröffentlichte Sulzer Dokumente über Bauaktivitäten der Nazis, alte Fotos aus einer Sandgrube, die Auswertung von Luftaufklärungsfotos und die Ergebnisse von geoelektrischen Messungen, die den Schluss nahelegen würden, dass es noch mehr unterirdische Bauten als bisher bekannt geben könnte. Es könnte zusätzliche Etagen unter "Bergkristall" geben sowie unterirdische Raketenabschussplätze wie am Westwall in Frankreich.
Bürgermeister Erich Wahl (SPÖ) will sicherstellen, dass von den Überresten der NS-Vergangenheit keine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht sowie ein Ende der Verunsicherung der Bürger und tritt dafür ein, dass dazu historisch gesicherte Tatsachen vorliegen. Er berichtete von einer Mutter, die wegen eines in Ungarn erschienenen Artikels, dass die Region nach Atomversuchen verstrahlt sei, besorgt ins Gemeindeamt kam.
"Grauenvoller als Mauthausen"
Martha Gammler vom Gedenkkomitee Gusen verweist darauf, dass die Lager in St. Georgen größer und grauenvoller als Mauthausen gewesen seien und kritisierte erneut, dass dies und die Opfer zu wenig gewürdigt würden. Sie verlangte Aufklärung "über Vieles", unter anderem über vermisste Personen und unbekannte Tiefbauten. Unterstützung kam am Mittwoch vom deutschen Soziologen Tilmann Kammler. Er ist der Enkel des Leiters von Bau- und Rüstungsprojekten im Deutschen Reich, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Hans Kammler, und erklärte: "Die Wahrheit kennt nur der Spaten, nicht das Archiv." Sulzer hofft, dass weiter geforscht wird. "Es ist ein Grundrecht zu erfahren: Wo leben wir", sagte er.