Zwei Ärzte wurden suspendiert, weil sie nach dem Tod einer Frau Akten verändert haben sollen. Jetzt klagt ein weiteres Opfer in ÖSTERREICH an.
Seit Wochen hält der Fall Izeta Thallinger (41) ganz Oberösterreich in Atem: Die Frau starb bei der Geburt ihres vierten Sohnes im LKH Gmunden an einer Blutvergiftung. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Zudem wurden der Primar der Gynäkologie, Gerald H., und ein Oberarzt suspendiert. Sie sollen die Akte geschönt haben.
Der Tod der vierfachen Mutter ist jedoch nicht der einzige Fall von Unregelmäßigkeiten am LKH Gmunden. Mittlerweile werden zwei weitere Fälle untersucht. „Auch meine Frau Ursula starb damals unter ähnlichen Umständen“, sagt Wilhelm Turner (60, siehe Foto links mit seiner Tochter). In ÖSTERREICH erzählt der Wahl-Salzburger erstmals von den qualvollen Stunden vor neun Jahren, in denen er seine Frau verlor. Voller Glück hatte das Ehepaar damals der Geburt ihrer Tochter entgegengesehen. „Jahrelang haben wir es probiert, vier künstliche Befruchtungen machen lassen.“ Begleiter, Unterstützer und Freund des Paares war der damalige Primar der Gynäkologie im LKH Gmunden, Homayoun S. Gegen ihn erhebt Turner schwere Vorwürfe.
Der Primar entschied im Juni 1999, die Wehen künstlich einzuleiten. Danach begann das Martyrium für Ursula Turner. „Zwei Tage lang quälte sie sich in Wehen, schlief nicht“, so Turner. „Dann sagte sie, sie könne nicht mehr.“ Der Oberarzt wehrte ab: „Er sagte, er wisse, was eine Frau aushält.“
„Blut floss in Strömen“
Die Geburt wurde
eingeleitet – dann brach Panik aus: „Meine Frau wurde kreidebleich, hatte
keinen Blutdruck mehr.“ Es habe eine Ewigkeit gedauert, bis der Arzt kam.
„Der Kopf war schon da, meine Frau fast bewusstlos.“ Das Baby war mehrere
Minuten ohne Luft, musste wiederbelebt werden. „Zugleich bekam meine Frau
rasende Bauchschmerzen, Blut floss in Strömen an ihren Beinen hinab.“ Eine
Blutkonserve nach der anderen wurde verabreicht, doch die Blutung stoppte
nicht. „13 Konserven wurden verabreicht.“
Arzt gefeuert
Die letzte Rettung: Gebärmutter entfernen. Den
Ehemann schickte man heim. Als er vier Stunden später in den Kreißsaal trat,
bekam er die Nachricht: Seine Frau war gerade gestorben. „Die Reaktion des
Primars: Solche Fälle gibt es zwei, drei Mal pro Jahr – es tue ihm leid.“
Erst spät drängt Turner auf Aufklärung – die Freundschaft zu dem Primar hält
ihn davon ab. Ein Gutachten verzögert sich über Jahre. „Am Ende war es
verjährt.“ Doch nur zwei Jahre später überschlagen sich die Ereignisse: Der
Primar gerät ins Kreuzfeuer. Zwei tote Krebspatienten und eine weitere Tote
bei einer Geburt geben Rätsel auf. Er wird suspendiert.
„Vergessen“
Doch die Affäre geht glimpflich für ihn
aus. „Das ist alles vergeben und vergessen, es gab ein zivilrechtliches
Verfahren, kein Strafverfahren. Er wurde freigesprochen, rehabilitiert. Da
ist nichts hängen geblieben“, so Judith Oberweger vom Spitalsbetreiber
gespag. S. machte eine Privatpraxis auf. Sein Nachfolger als Primar wurde
Gerald H. – der am Donnerstag wegen Aktenmanipulation entlassen wurde. Jetzt
werden die alten Fälle, bei denen es am LKH Gmunden problematische Geburten
gab, penibel untersucht.
Wilhelm Turner im ÖSTERREICH-Interview: "Ich will endlich aufarbeiten können" ÖSTERREICH: Neun Jahre nach dem Verlust der Ehefrau, warum sprechen Sie jetzt darüber? Wilhelm Turner: Auslöser war der aktuelle Fall der toten Frau in Gmunden. Ich will nur, dass die Öffentlichkeit von der Häufung solcher Fälle im LKH Gmunden erfährt. Damit so etwas nie wieder passieren kann. ÖSTERREICH: Gibt es noch einen weiteren Grund? Turner: Ich will endlich das Thema aufarbeiten, damit ich es ablegen kann. ÖSTERREICH: Wie haben Sie die Jahre durchgestanden? Turner: Ich war gänzlich auf mich alleine gestellt. Kämpfte täglich mit Schuldgefühlen. Deswegen stürzte ich mich auch in die Arbeit. Ich habe mich verschlossen, immer weiter zurückgezogen. Stärke habe ich erst wieder durch mein Kind gewonnen – in der Aufgabe, für sie da zu sein. ÖSTERREICH: Bekamen Sie vom LKH Gmunden Unterstützung? Turner: Nein, ich habe nie Beileidsbekundungen oder eine Trauerkarte bekommen. Das Einzige, was kam, war eine Mahnung über 70 Groschen für das letzte Telefongespräch mit meiner Frau. |