OGH hob Urteil auf
Verwahrlostenfall in OÖ wird neu aufgerollt
05.05.2008
Das Urteil gegen die Frau, die ihre Kinder jahrelang von der Außenwelt abgeschottet haben soll, wurde aufgehoben. Der Fall wird neu aufgerollt.
Die 53 Jahre alte Oberösterreicherin war im November des vergangenen Jahres zu einer Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt worden. Der Prozess müsse nun neu aufgerollt werden, berichtete der ORF Kärnten am Montag unter Berufung auf den Linzer Rechtsanwalt Helmut Blum.
Verwahrloster Haushalt
Nach der Scheidung von ihrem Mann - einem
oberösterreichischen Richter - Ende der 90er Jahre hatte sich die Frau mit
ihren drei Töchtern in ihr Haus im Bezirk Urfahr-Umgebung zurück. Die
Mädchen blieben immer öfter dem Schulunterricht fern, der Haushalt wurde
zusehends als verwahrlost beschrieben, im Oktober 2005 entzog die
Bezirkshauptmannschaft der Mutter die Mädchen. "Ich fühle mich nicht
geisteskrank", meinte die Oberösterreicherin, obwohl mehrere Ärzte sie für
paranoid schizophren halten.
Töchter haben nicht ausgesagt
Die Obersten Richter
kritisierten nun, dass die älteren beiden Töchter im Klagenfurter Verfahren
nie ausgesagt hatten. Die jüngste Schwester - sie lebt inzwischen bei ihrem
Vater in Oberösterreich - hatte sich der Aussage entschlagen.
"Noch keine innere Alternative zur Mutter"
Die zwei
älteren Töchter seien nicht in der Lage, in Bezug auf ihre Mutter
wahrheitsgemäß auszusagen, hatte der psychiatrische Sachverständige Walter
Wagner in Klagenfurt attestiert. Die "Abhängigkeit von der Mutter" sei nach
wie vor gegeben. Eine Aussage vor Gericht würde zudem eine Krise
provozieren. Vor allem die älteste Schwester sei "dem Bezugssystem, dem sie
jahrelang ausgeliefert war, nach wie vor verhaftet", sagte der
Sachverständige. "Es gibt noch keine innere Alternative zur Mutter", meinte
Wagner. Die junge Frau falle in sich zusammen, wenn sie über ihre Mutter
spreche und könne derzeit nicht kritisch Stellung beziehen.
Behörden-Versäumnisse
Von "gravierenden Versäumnissen
der Behörden", sprach indessen der Verteidiger der Oberösterreicherin. "Die
Versäumnisse anderer werden nun auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen".
Seiner Ansicht nach seien "Unterbringungsvoraussetzungen" nicht gegeben,
meinte Blum. Laut ORF soll die nächste Prozessrunde im kommenden Sommer über
die Bühne gehen.