Der Andrang auf die höchsten Berge in den Alpen, auf die Drei- und Viertausender, ist so groß wie nie zuvor.
Wer sich erst jetzt entscheidet, in diesem Sommer eine geführte Kletter- oder Hochtour zu buchen, wird nur mit viel Glück einen Termin ergattern. Bergführer und Bergführerinnen sind doppelt oder dreifach überbucht. Noch dazu wird sich bald eine ganze Bergführergeneration aufgrund ihres Alters in die Pension verabschieden. Nachwuchs wird gesucht.
"Hochtouren auf den Großglockner und Großvenediger in den Ostalpen boomen extrem. In den Westalpen ist auf dem Matterhorn und der 'Spaghetti-Runde' besonders viel los", so der Pinzgauer Bergführer Bernhard ("Berni") Egger, Ausbildungsreferent beim Salzburger Bergsportführerverband, im APA-Gespräch. "Nach der Corona-Pandemie ist der Drang noch größer geworden, diese Berge zu besteigen. Die Leute haben gemerkt, wie viel ihnen das bedeutet. Aber ohne längerfristige Buchung ist es schwierig, im Hochsommer noch einen Bergführer oder eine Bergführerin zu bekommen."
Sicherheit am Berg wird immer wichtiger
Das Thema Sicherheit am Berg gewinnt immer mehr an Bedeutung und erhöht die Nachfrage. Die Lawinengefahr ist für einen Laien schwer einzuschätzen, und beim Erklimmen von ausgesetzten Felsgraten fühlt man sich am Seil sicherer. Auch der Klimawandel und seine Auswirkungen erhöhen den Wunsch, mit einem international anerkannten, staatlich geprüften Berg- und Skiführer den hochalpinen Raum zu erkunden.
Die zunehmend milden Temperaturen lassen den Permafrost auftauen, der das Gestein zusammenhält, und das Gletschereis abschmelzen. Die Folge: erhöhte Steinschlag- und Spaltensturzgefahr. Gewisse Wege sind nicht mehr begehbar. Schnee- bzw. Eisbrücken über Gletscherspalten verlieren an Tragkraft oder brechen gänzlich weg. "Manchmal kommt es vor, dass wir während der Tour neue Wege suchen müssen. Da sind gute Gebietskenntnisse von Vorteil", sagt Egger.
Im Sommer 2022 legten Bergführer in Kooperation mit der Kürsingerhütte und dem Alpenverein an der Großvenedigerscharte auf rund 3.400 Meter Seehöhe wie schon einige Jahre zuvor eine Leiter, weil sich die Gletscherspalte meterweit geöffnet hatte. Der Aufwand hat sich auch für die Bergführer erhöht. "Die Leute müssen zusätzlich gesichert werden", erzählt der 37-jährige Bramberger, der auch im Ausbildungsteam der staatlichen geprüften Berg- und Skiführer tätig ist. Für einige Aspiranten sorgte die Überquerung der tiefen Kluft für Nervenkitzel.
Die Spaltensturzgefahr hat das Interesse von Alpinisten erhöht, ihre seiltechnischen Fähigkeiten auf Gletscherkursen zu verbessern. Doch auch hier heißt es immer öfter: alles ausgebucht, bitte auf das nächste Jahr warten. Die Lage spitzt sich auch deshalb zu, weil einige der 170 Bergführer in Salzburg, davon fünf Frauen, wegen des fortgeschrittenen Alters weniger Buchungen annehmen oder bald in Pension gehen.
Nachwuchsförderungsprogramm gestartet
Der heimische Bergsportführerverband startet deshalb ein Nachwuchsförderungsprogramm. Am 30. September ist ein Klettertag mit Informationen über die Berg- und Skiführerausbildung geplant. Angeboten werden auch Zwei- bis Vier-Tages-Kurse in den verschiedenen Bergsportdisziplinen zur Vorbereitung für die Ausbildung. Die Werbetrommel für angehende Bergführer wird auch bei alpinen Vereinen und bei der Bergrettung gerührt.
Berni Egger ist hauptberuflich Berg- und Skiführer. "Finanziell geht es sich auf jeden Fall aus, wenn man - wie in jedem Beruf - fleißig ist", sagt der verheiratete Vater von zwei Kindern, dessen Frau Maria ebenfalls als Bergführerin tätig ist. Im Winter arbeitet er mehr "vor der Haustüre". Er unternimmt mit seinen Gästen - zwei Drittel davon stammen aus dem deutschsprachigen Raum - in seiner Heimat Ski-, Freeride- und Eisklettertouren. Im Sommer nehmen Hochtouren und Ausbildungskurse mehrere Wochen in Anspruch. "Mit der Familie lässt sich das vereinbaren. Das ist Gestaltungssache."
Ausbildung dauert 3,5 Jahre
Die Ausbildung zum Bergsportführer dauert insgesamt 3,5 Jahre und beinhaltet 97 Tage plus zwei Abschlussprüfungstage. "Mitzubringen sind ein hohes Maß an Eigenkönnen und alpiner Erfahrung", steht im Referenzhandbuch der österreichischen Berg- und Skiführerausbildung. Die Anforderungen sind laut Egger hoch, "aber absolut nicht unerreichbar": Solides Klettern im 7. Schwierigkeitsgrad alpin und im 8. Schwierigkeitsgrad im Klettergarten, eine gute Skitechnik nach den Richtlinien des österreichischen Skilehrerplans und Eisklettern im Schwierigkeitsgrad WI 5. Zum Eignungstest ist auch ein Tourenbuch über absolvierte, vereiste Wasserfälle, Felsrouten sowie Hoch- und Skitouren vorzuweisen.
"Während der Ausbildung und auch beim Führen ist eine gewisse soziale Kompetenz und Stressresistenz mitzubringen", spricht Egger aus Erfahrung. Er würde sich noch mehr Frauen im Team wünschen. Bei der Abschlussprüfung im französischen Chamonix waren von den 35 Teilnehmern nur drei Frauen angemeldet.