Flucht aus Todeszone
Österreichische Familie aus Gaza wieder in Wien
12.01.2009
Für sie hat die Flucht vor dem Krieg ein gutes Ende gefunden: Die Al-Ammasis landeten gestern in Wien. 34 Österreicher sind noch in Gaza gefangen.
Um Punkt 14.30 Uhr endete die Flucht der ersten österreichisch-palästinensischen Familie in Wien-Schwechat: Mit „Royal-Jordanian“-Flug RJ 127 aus Amman brachten Mahmoud (37) und Suha (33) Al-Ammasi ihre Kinder Lamaa (8), Bashar (6) und Mohamed (4) endlich ins sichere Österreich. Mit nur einem Koffer voller Kleider, erschöpft, doch überglücklich spazierte die Familie kurze Zeit später aus dem Ankunftsbereich.
Vor dem Nichts
Mahmoud Al-Ammasi ist heilfroh, endlich der
Kriegshölle entkommen zu sein: "Dort kann man nicht leben, wer die Chance
hat, soll den Streifen verlassen“, sagt er im Gespräch mit ÖSTERREICH. Seine
Augen sind vor Müdigkeit blutunterlaufen – der Krieg und die lange Flucht
über Jordanien haben ihn gezeichnet. Und es wird weiterhin nicht einfach für
ihn: In der Wahlheimat Wien (wo Mahmoud zwölf Jahre gewohnt hat) steht die
Familie praktisch vor dem Nichts. Keine Verwandten holen sie vom Flughafen
ab, zunächst müssen die Al-Ammasis in einem Hotel übernachten. Dennoch gibt
es einen kurzen Lichtblick: Am Flughafen kommt ein Fremder auf ihn zu,
schüttelt ihm herzlich die Hand. "Gratuliere zur Flucht, willkommen in
Wien“, sagt der Mann. Er hat das Foto der Familie in der Zeitung gesehen.
Fehlgeschlagen
Die Al-Ammasis sind die einzigen
österreichischen Doppelstaatsbürger, die bislang das Kriegsgebiet verlassen
konnten: Wie berichtet, ermöglichte die Botschaft in Tel Aviv ihnen
vergangenen Donnerstag die Ausreise. Insgesamt sind immer noch 34
Doppelstaatsbürger im Kriegsgebiet, von denen 20 auf die nächste
Fluchtmöglichkeit warten. Doch bisher hat sich kein neues
"Evakuierungsfenster“ aufgetan, wie es in der Militärsprache heißt: Ein
erneuter Versuch schlug am Montag fehl, weil Israel den Konvoi des Roten
Kreuzes an die Grenze nicht genehmigte, berichtet ÖSTERREICH-Reporter
Andreas Lexer aus Israel.
Visum
Während Mahmoud Al-Ammasi und seine Kinder
Doppelstaatsbürger sind, wurde seiner Frau Suha übrigens durch einen
seltenen Schritt der Behörden die Ausreise ermöglicht: Der Palästinenserin,
die lange Zeit in Wien gewohnt hat, wurde ein "humanitäres Visum“ verliehen.
Das bedeutet, dass ihr ein viermonatiger Aufenthalt ermöglicht wird. Dafür
hatten sich Diplomaten in Israel eingesetzt: "Man kann doch nicht eine
Familie aus dem Kriegsgebiet holen, und die Mutter dann dort lassen“,
begründet eine Beamtin des Außenministeriums den humanitären Schritt.
Dankbar
Es sei Sache der Familie zu entscheiden, ob man nach
Ablauf des Visums der Frau in Wien um eine Verlängerung ansuche, sagt
Außenamtssprecher Harald Stranzl. Was wahrscheinlich ist – Mahmoud
Al-Ammasi: „Wir haben hier geheiratet und wollten immer schon zurück nach
Wien.“ Doch die Blockade Gazas durch Israel habe ihre Ausreise verhindert.
"Österreichs Botschaft hat unser Problem jetzt gelöst“, ist der
Maschinenbau-Ingenieur dankbar. Obwohl er Dokumente und vor allem viele
Verwandte im Gazastreifen zurücklassen musste, sieht Mahmoud positiv in die
Zukunft: „Hier ist meine Familie in Sicherheit. Wohnung und Job werde ich
schon finden.“
Interview mit Mahmoud Al-Ammasi: "In Gaza kann man nicht mehr leben"
ÖSTERREICH: Sie sind soeben in Wien gelandet. Wie fühlen Sie sich?
Sie stehen fast vor dem Nichts, haben weder Wohnung noch Job in
Wien. Wie soll es nun weitergehen?
Und wo werden Sie jetzt wohnen?
Sie haben viele Verwandte im Gazastreifen. Stehen Sie in Kontakt?
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