Packt der Mafia-Pate Steiner jetzt aus?
06.04.2010
ÖSTERREICH zeigt, wie die Polizisten eiskalt zuschlugen und warum jetzt hohe
Strafen drohen.
Der Schlag einer Soko des Bundeskriminalamts (nach zweijährigen verdeckten
Ermittlungen) hat Wiens Gürtelmafia offenbar am Lebensnerv getroffen: Noch
48 Stunden nach dem überraschenden Zugriff der Polizei herrschen auf der
sündigen Meile zwischen Westbahnhof und Währinger Straße Ratlosigkeit und
Verwirrung.
Selbst Top-Anwalt Christian Werner, der gleich ein halbes Dutzend der
inhaftierten Verdächtigen vertritt. kann nur die Achseln zucken: „Die Causa
wird von der Staatsanwaltschaft als Verschlussakt geführt. Ich habe bisher
keine Einsicht bekommen.“
Sicher ist: Sonntag klickten für Rotlicht-Capo Richard Steiner (37) am
Münchner Flughafen die Handschellen, als er von seinem Zweitwohnsitz in der
Dominikanischen Republik heim zu seinen Gürtelschnallen wollte. Der
gebürtige Serbe (er kam als Vladimir Barisic) zur Welt war von seiner
Festnahme so verblüfft, dass er erst an eine Passkontrolle glaubte.
Eine Woche alte Schussverletzung
Gleichzeitig räumte die Kripo
im Zuge der „Operation Friends“ auch in ganz Österreich auf. Nach
Hausdurchsuchungen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wanderte
Steiners Bande (für alle gilt die Unschuldsvermutung) in Zellen – vorneweg
sein „Vize“ Dusan R. (Spitzname „Rocky“).
Insgesamt wurde mittlerweile über neun Verdächtige die U-Haft verhängt. Ein
Komplize wurde in Spanien verhaftet; weitere befinden sich derzeit in den
Justizanstalten Eisenstadt und Korneuburg.
Gürtel-Capo drohen
mehr als 10 Jahre Haft
Bei den
Lauschangriffen soll die Soko Hinweise auf Verstöße gegen das halbe
Strafgesetzbuch gefunden haben. Die wichtigsten: Schutzgelderpressung,
Mädchenhandel, Bildung einer kriminellen Organisation und sogar
Verabredungen zu Mordplänen. Halten die Ermittlungen vor Gericht stand,
drohen der Chef-Partie mehr als zehn Jahre Gefängnis.
Freilich zittern nicht nur die Verdächtigen. Denn falls sich Gürtel-König
Steiner tatsächlich so sicher fühlte, dass er am (abgehörten) Telefon
Schwerverbrechen besprochen hat, könnte das mit einem düsteren Kapitel der
Wiener Exekutive zu tun haben: Steiner werden so enge Kontakte zu Teilen der
Polizei nachgesagt, dass er die Schutzgeld-Organisation „Nokia-Club“
aufziehen konnte und seine Lokale durch Sperrlisten vor Razzien sicher
waren.
Denkbar, dass Steiner jetzt als Kronzeuge über korrupte Cops auspackt –
seine früheren Drähte führten hoch hinauf.
Ex-Gürtel-König Harald Hauke über das Ende der Mafia
ÖSTERREICH: Sie waren vor dem nunmehr verhafteten
Richard Steiner der König des Nachtlebens am Wiener Gürtel… HARALD
HAUKE: … so ist es. Aber Steiner hat mich nicht verdrängt,
sondern ich habe verkauft, weil mich das Geschäft nach 25 langen
Jahren nicht mehr interessiert hat. ÖSTERREICH: Im
Jahr 2002 haben Sie sich zurückgezogen. Trotzdem gab es dann
Spannungen mit Steiner, korrekt? HAUKE: Ich bin drei
Jahre unschuldig in Haft gesessen, weil sich Steiners Partie gemeinsam
mit korrupten Polizisten gegen mich verschworen hat. Die haben
Aussagen und angebliche Beweise manipuliert. Ich bin für Sachen
eingesperrt worden, die ich nie begangen habe. Aber jetzt sitze ich am
Fluss und die Leichen treiben vorbei. Die Polizisten standen
mittlerweile teils selbst vor Gericht oder sind zumindest suspendiert.
In Steiners Haut möchte ich jetzt auch nicht stecken. Und vielleicht
wird ja mein Verfahren bald neu aufgerollt. Warten wir’s ab. ÖSTERREICH:
Warum hätte Sie Steiner damals hinter Gitter bringen sollen? HAUKE:
Vielleicht dachte er, man muss den alten König töten, wenn man
selbst anerkannt werden will. Dass er ein Psycho-Problem hat, ist ja
offensichtlich. Der hat sich aufgeführt wie der Mafioso John Gotti
und gemeint, über ihm gäbe es nur noch den Bundespräsidenten. Jetzt
bekommt er die Rechnung für seinen Größenwahn. ÖSTERREICH:
Sie halten Richard Steiner für keine große Nummer? HAUKE:
Ach was. Der Vladimir Barisic, wie er wirklich heißt, hat sich
Schuhe der Größe 46 angezogen, obwohl er nur Nummer 40 hat. Stark
war er eine Zeit lang nur durch seinen seltsamen Rückhalt bei Teilen
der Polizei. Aber den gibt es ja unter der neuen Führung nicht mehr. ÖSTERREICH:
Sie wollen Ihr altes Reich nicht zurück? HAUKE:
Sicher nicht. Die Gürtel-Szene ist unter Steiner und seiner Gang
verfallen wie ein altes Auto. Zehn Bars haben bereits gesperrt, fünf
weitere stehen zum Verkauf. Gut für mich. ÖSTERREICH:
Wieso? Hauke: Ich habe ein paar Monate gebraucht,
um nach der ungerechten Haft wieder zu mir selbst zu finden. Aber
ich habe es geschafft und die Zeichen der Zeit erkannt, indem ich in
ein Laufhaus investiert habe. Es heißt „Rachel“, läuft blendend und
rundum legal. Bei mir kann man jedes Mädchen überprüfen und jedes
Telefonat abhören. Es gibt eben auch in unserem Milieu Könige und
Froschkönige, nicht?
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Das sind die Gürtel-Größen
- Richard Steiner (39)
Der tätowierte Veganer zog als
Gürtel-Boss in den letzten Jahren alle Fäden auf Österreichs
bekanntester Rotlicht-Meile. Der 39-Jährige Nichtraucher gilt
als Muskelprotz, wiegt knapp hundert Kilo und schafft 600
Liegestütze in der Minute. Laut eigenen Angaben war er früher
Fremdenlegionär, ein Soldat mit Hang zur Philosophie. Bis zu
seiner Rückkehr auf den Gürtel im Jahr 2007 nahm er Auszeit in
der Dominikanischen Republik, wo er ein Haus besitzt. Dort
stählte er seinen Körper, las nebenbei Nietzsche, Heidegger,
Schopenhauer, Voltaire und Konfuzius.
- „Rocky“
Der „Statthalter“ ist die
„rechte Hand“ von Steiner und eine wahre Gürtel-Legende. In den
achtziger Jahren war der kleinwüchsige Rocky Profi-Boxer in
Belgrad – daher auch der Spitzname. In der Szene gilt er als
„Fachmann für Sicherheitsfragen“. Im Herbst 2009 geriet er in
die Schlagzeilen, als der Mord an seiner Freundin die Unterwelt
erbeben ließ.
- Repic, der Zopf
Wurde bekannt, als Fotos von ihm und
einem Spitzenbeamten der Polizei auftauchten, der später
suspendiert wurde. Gilt als „Mann fürs Grobe“, erst kürzlich
aus der Haft entlassen.
- „Easy, der Tätowierte“
Der
Vorarlberger fällt durch zwei Dinge auf: Tätowierungen am
ganzen Körper und mutmaßliche Skrupellosigkeit.
- „Der lange Peter“
Leibwächter von
Steiner und dessen rechter Hand „Rocky“.
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